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Die End-Entscheidungshypothese und die »Auferstehung im Tod«
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So wie die Ganz-Tod-Theorie ist auch die End-Entscheidungshypothese (EEH) neueren Datums (und, wie William Hoye einmal schreibt, ist jeder neue theologische Gedanke mit Sicherheit häretisch - also irrig). Die Vertreter dieser Ansicht - zu denen allen voran Ladislaus Boros gehört - gehen davon aus, dass der Mensch im Augenblick seines Todes einen Augenblick ausgezeichneter Freiheit erfährt - losgelöst von allen irdischen Eingrenzungen - und in diesem Augenblick eine Entscheidung (für oder gegen Gott) von ganz neuer Qualität treffen kann.
Eine Entscheidung im Tod, vollverantwortlich und in völliger Freiheit, das klingt gut. Sowohl, was die Begründung für eine solche Annahme angeht - als auch, was die Konsequenzen dieser Theorie betrifft.
Aber zunächst zur Begründung: Tatsächlich sind ja alle hier auf Erden getroffenen Entscheidungen korrigierbar; sie können jederzeit zurückgenommen werden (was natürlich nicht für die Handlungen und Konsequenzen einer Entscheidung gilt: Ein abgebranntes Haus bleibt abgebrannt, auch wenn wir die Entscheidung, es anzuzünden, nachträglich zurücknehmen).
Die Evangelikalen sind da übrigens anderer Meinung. Viele der freikirchlichen Gemeinden gehen davon aus, dass eine wirkliche Glaubensentscheidung Heilsgewissheit schenkt; was ja nichts anderes bedeutet, als dass der Mensch diese Entscheidung im ganzen restlichen Leben nicht mehr revidieren kann.
Allerdings gilt, dass jemand, der in seinem Leben nach einer Glaubensentscheidung wieder vom Glauben abfällt, logischerweise auch keine echte Glaubensentscheidung getroffen haben kann. Womit die Evangelikalen wieder an der gleichen Stelle sind, wo sie vorher waren - und wir Katholiken uns auch befinden.
Wir können Entscheidungen nur deshalb rückgängig machen,
weil sie unvollkommen gewesen sind. Entweder waren wir schlecht gelaunt,
von starken Gefühlen erregt, nicht richtig ausgeschlafen, oder schlecht
informiert, zu jung, oder schon zu alt... es gibt viele Gründe, warum
eine irdische Entscheidung fehlbar ist.
Das gilt - vor allem nach einem vorchristlichen Philosophen namens Platon
- nicht mehr für die vom Leib "befreite" Seele. Sie ist
keinen Gefühlswallungen mehr unterworfen, hat die vollkommene Erkenntnis
und weiß einfach Bescheid. Was eine solche Seele entscheidet, kann
nicht mehr zurückgenommen werden. Nicht, weil irgendjemand das verbietet,
sondern weil es keinen Grund gibt, diese Entscheidung zu überdenken:
Es gibt eben keine neuen Aspekte, die wir vorher nicht bedacht haben.
Perfekt ist perfekt. Noch perfekter geht nicht.
Platons Idee von der Seele, die vom Leib befreit wird, ist allerdings
nicht christlich. Der Leib ist Platon zufolge ein "Gefängnis",
ein Grab. Im Tod wird die Seele davon befreit - also ein Grund zum Jubeln
(so hat Sokrates, als er wegen "Verführung der Jugend"
zum Tode verurteilt worden, seinem Diener aufgetragen, nach seinem Ableben
einen Hahn zu opfern: Das Opfer, das damals ein Sklave brachte, wenn er
freigelassen wurde).
Wir Christen sehen den Tod nicht als Befreiung, sondern als Unglück.
Der Leib ist kein Gefängnis, sondern die Heimat der Seele. Die Seele
ohne Leib ist nicht befreit, sondern beraubt.
Aber der Gedanke, dass die irdischen Entscheidungen immer nur bedingte, unvollkommene Entscheidungen sind, ist nicht von der Hand zu weisen. Wie aber kommt es dann zur endgültigen Entscheidung für oder gegen Gott?
Nun - die ist erst im Tod möglich, sagt Ladislaus Boros. Andere meinen, eine solche Entscheidung sei erst nach dem Tod möglich, im Angesicht Gottes. Mit Sicherheit aber nicht hier auf Erden.
"Super!", sagt Ladislaus Boros, "damit lösen wir eine ganze Menge theologischer Probleme!" Zum Beispiel die Frage, was mit den Heiden und Atheisten geschieht, die nichts von Gott oder Christus und der der Taufe gewusst haben; ebenso das Problem der gestorbenen Kinder, die nicht zu einer Entscheidung fähig waren und/oder nicht getauft wurden; vor allem meint Boros aber, dass es so jedem Menschen möglich ist, sich dem Wunsche Gottes zu öffnen, dass wir alle in den Himmel kommen.
Und damit sind wir bei der eigentlichen Konsequenz der EEH: Wir bekommen alle noch einmal eine Chance, eine richtige Entscheidung zu treffen. Richtig im doppelten Sinne: Einmal eine nicht durch Gefühle, Leidenschaften oder Falschinformation verunreinigte Entscheidung; und zum anderen eine richtige Entscheidung, weil wir uns jetzt für das Richtige entscheiden: Für Gott.
Falls - was Boros nicht ausschließen will - sich dann doch jemand gegen Gott entscheidet, so kann man diese Entscheidung nicht Gott anlasten. Immerhin hat dieser unglückliche Mensch seine Entscheidung im vollen (!) Besitz seiner Kräfte getroffen. Es gibt eben keine überraschende, zu frühe oder zufällige Todesfälle mehr: Jeder stirbt in einem Augenblick absoluter Bewusstheit.
Die Kritikpunkte an der EEH sind zahlreich - und gewichtig. Zunächst gilt, dass es für diese Hypothese keinen biblischen Grund gibt. Ganz im Gegenteil: Das Glück oder Unglück im Jenseits ist in allen Phasen der biblischen Theologie ganz konsequent an die Entscheidungen gebunden, die wir hier in diesem Leben treffen (vor allem: Mk 13,33ff; Mt 24,42ff; 25,13; 1 Thess 5,3ff... und viele andere).
Das inhaltliche Problem dieser Theorie liegt in der Frage, inwieweit die im Leben getroffenen Entscheidungen für diese End-Entscheidung eine Rolle spielen. Für die strengen Verfechter der EEH ist die Antwort naheliegend: Die vorangegangenen irdischen Lebensentscheidungen spielen keine Rolle. Und da haben wir den Salat...
...denn dann wird alles, was wir hier auf Erden zuvor tun, erleiden und
erhoffen, alles, was wir für Gott, für unsere Seele und aus
Liebe tun, bedeutungslos. Vielleicht können wir uns durch die Religion
noch ein bisschen ein irdisches Paradies schaffen; aber für das himmlische
Paradies ist das vergliche Liebesmüh.
Entwertet wird dadurch nicht nur jedes menschliche Bemühen - sondern
auch jede Religion und schließlich auch jede Offenbarung, - und
auch die Menschwerdung und Erlösung durch Jesus Christus. Denn wenn
wir sowieso alle am Ende unseres Lebens - aus der Natur der Sache heraus
- Gott sehen, wie er ist und im Angesicht der vollen Erkenntnis die einzige
wirklich Entscheidung unserer Existenz treffen, dann brauchen wir uns
zuvor doch mit mühevollen Halb-Erkenntnissen aus Religion, Bibel
und Gebet gar nicht abmühen.
Das sehen die Vertreter der EEH natürlich auch - und flüchten sich dann in die Behauptung, dass die irdischen Entscheidungen doch irgendwie in diese letzte Entscheidung hineinwirken und sie mit bedingen. Aber damit wird natürlich die eigentliche Sinnspitze ihrer Theorie stumpf; immerhin waren sie ja gerade deshalb mit ihrer Hypothese angetreten, um die letzte Entscheidung von allen irdischen Bedingungen und Voraussetzungen zu befreien.
Eigentlich hat der geniale Philosoph Josef Pieper das Problem schon längst gelöst und die Frage, wie aus einer unvollkommenen irdischen Entscheidung eine endgültige Entscheidung im Jenseits wird, beantwortet, ohne einfach alle irdischen Entscheidungen als Müll zu entsorgen:
Piper zufolge ist das Sterben des Menschen kein zufälliges, vorzeitiges, plötzliches und unerwartetes Abreißen der Lebensfunktionen, sondern ein »abschließender Akt, ein Zu-Ende-Bringen, Unterschrift und Vollzug des Lebensganzen, Auftragung, Komplettmachen und Beschluss.« - Der Tod ist »Beendigung des inneren Weges, gewirkt in einer endgültigen, das ganze Dasein betreffenden freien Entscheidung«.
Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal auf die Frage nach dem Heil von Selbstmördern zurückkommen. Ich habe zuvor schon erwähnt, dass die Evangelikalen im amerikanischen Raum einem Selbstmörder keinen Platz im Himmel gewähren - und diese Auffassung auch den Katholiken unterstellen.
Nach Piper hat jeder Mensch eine letzte Entscheidung im Tod (oder auch als letzte Entscheidung vor dem Tod), in der das Lebensganze zum Abschluss gebracht wird. Das kann aber genau das Gegenteil sein von dem, was der letzten Handlung (in diesem Fall dem Selbstmord) zugrunde liegt.
Wie aber - so fragen viele - kann jemand, der sich tötet, diese Tat noch bereuen und als "nicht das Lebensganze bestimmend" einordnen?
Was für Boros mit seiner EEH kein Problem ist, ist aber auch für den klassischen katholischen Glauben keine Schwierigkeit. Wiederum zitiere ich Josef Piper: Eine solche Entscheidung kann sich im Bruchteil einer Sekunde abspielen, in der Schnelligkeit eines Traumablaufes, vielleicht sogar in einem «dem eigenen reflexen Bewusstsein verborgenen Seufzer». Was Piper meint (er ist halt Philosoph und drückt sich gelegentlich so aus): Auch ein Mensch, der noch mit Hasstirade auf den Lippen stirbt, kann sich vielleicht schon in tieferen Schichten, unterhalb des Bewussten, Gott zuwenden.
Die Frage also, ob ein Selbstmörder in der Hölle oder im Himmel landet, ist aus Sicht der katholischen Kirche genauso offen wie bei allen anderen sündigen Menschen.
Der Unterschied zwischen Piper und Boros - und damit der Unterschied zwischen der katholischen Position und einer nicht-katholischen Sichtweise - liegt allein in der Frage, ob die Entscheidung im Augenblick des Todes eine vom bisherigen Leben geprägte Entscheidung ist - oder vom irdischen Leben absolut losgelöste Entscheidung.
Selbstverständlich kann Gott aus einem Akt der Gnade heraus im Tod - oder auch gerne kurz davor - dem Menschen mit einer besonderen Gnade eine neue Entscheidung ermöglichen (vermutlich tut Gott das viel, viel öfter - vielleicht sogar unser ganzes Leben lang!). Es gibt viele Fälle, in denen davon berichtet wird (zum Beispiel vom Mörder, der sich durch das Gebet der kleinen Therese von Lisieux kurz vor seiner Hinrichtung bekehrt). Es wäre aber unzulässig (und eine anmaßende Einengung der Freiheit Gottes), aus der gewährten Gnade zur Neu-Entscheidung eine rein natürliches Phänomen beim Tod eines jeden Menschen zu machen.
Die dualistischen Vorstellung, der Mensch bestehe aus Leib und Seele
und nach der Trennung vom Leib lebe die Seele alleine weiter fort, wird
leider immer noch als etwas "Unbiblisches" betrachtet. Wir haben
unseren ersten Abschnitt mit diesem Irrglauben begonnen.
Lehnen wir allerdings ein Weiterleben der Seele ohne Leib ab, kommen wir
zur Ganztodtheorie. Eine, wie gezeigt, sehr unbefriedigende Theorie -
vor allem für die Verkündigung. Denn dann muss der Prediger
am Grab letztlich eine materialistische Sicht verkünden: "Der
Verstorbene ist tot, tatsächlich ganz und gar. Und das wird noch
bis zum Jüngsten Tag so bleiben." Keine sehr tröstliche
Predigt.
Dem gegenüber hat sich die "Auferstehung im Tod" entwickelt, die zwar auch eine Trennung von Leib und Seele ablehnt, aber sehr viel hoffnungsfroher daherkommt: Die allgemeine Auferstehung, die gut biblisch an den Tag des Herrn geknüpft ist, wird einfach in den Augenblick des Todes verlegt.
Schon Luther hat einmal gesagt, dass "in jener Welt nicht Zeit noch Stunde ist, sondern alles ein ewiger Augenblick". Zusammen mit der philosophischen Erkenntnis, dass in der Ewigkeit alle Ereignisse gleichzeitig stattfinden, kann man ohne Probleme zusammenlegen, was nach biblischen Vorstellungen zeitlich weit getrennt ist: Der Tod des Menschen und die Wiederkunft Christi.
Auf Erden mögen Jahrtausende dazwischen liegen (und insofern hat die Bibel auch recht, wenn sie ein Nacheinander annimmt), aber für die Verstorbenen gibt es ja keine Zeit mehr.
Zu den bekannten Vertretern dieser Theorie gehört auf evangelischer Seite Karl Barth, auf katholischer Seite Karl Rahner, Gisbert Greshake und viele Exegeten, wie z.B. G. Lohfink. Aber auch Michael Schmaus und sogar Joseph Ratzinger waren vorübergehend von dieser Hypothese angetan, beide haben sie dann aber letztlich als unvereinbar mit dem katholischen Glauben wieder verworfen.
Die Evangelikalen halten ebenfalls nicht viel von dieser Theorie. Zu den "five fundamentals", den fünf fundamentalen Grundsätzen der Evangelikalen in Amerika (daher nannten sich die Evangelikalen selbst auch die "Fundamentalisten", eine Bezeichnung, die ihnen inzwischen nicht mehr so behagt) gehört auch die "Buchstäbliche - leibliche - Wiederkunft Christi". Wenn aber die Wiederkunft Christi im Augenblick des Todes als Geschehen in der Ewigkeit seinen Platz hat, so handelt es sich eben nicht um ein geschichtliches Ereignis. Insofern sind sich Katholiken und Evangelikale in der Ablehnung der "Auferstehung im Tod"-Theorie einig.
Wenn der Zeitpunkt der Auferstehung mit dem Zeitpunkt des Todes zusammenfällt, gibt es auch keine leiblose Seele mehr: Wir sind unmittelbar mit Leib und Seele in die Ewigkeit hineingenommen.
Ratzinger (nachdem er sich von der Auferstehung im Tod abgewandt hat) hat Greshake vorgeworfen, die Auferstehung zu "entmaterialisieren". Denn wenn der Leib des Verstorbenen hier auf Erden zerfällt - was für einen Leib haben denn dann die im Augenblick des Todes Auferstandenen?
Greshake weiß sich aber zu wehren. Er bezieht sich allerdings auf einen relativ komplizierten Gedankengang von Teilhard de Chardin, den ich hier nicht im Einzelnen wiedergeben möchte. Fazit ist lediglich: Der Auferstehungsleib ist ein "geistiger Leib". Greshake: »Leib, und damit Welt und Geschichte, werden im Tod nicht einfach abgestreift.« - »Alle Gestalten der kosmischen und menschlichen Geschichte werden vergeistigt eingebracht in die absolute Vollendung, in das "Pleroma", in die Heimholung und Vereinigung der Welt in und mit Gott«
Ist das nicht wunderbar? Wir haben uns des lästigen "Zwischenzustandes" entledigt; keine Himmel-Hölle-Fegefeuer-Zeit mehr. Der Mensch ist Mensch als Leib und Seele - eine Seele ohne Leib gibt es nicht; überhaupt wird so der platonische Dualismus überwunden. Und alle kommen in den Himmel.
Was will man mehr?
In der Katechese Leben nach dem Tod" wird erwähnt, dass ein endlicher Mensch (und das sind alle Menschen) nicht in die zeitlose Ewigkeit Gottes gelangen kann. Zeitlosigkeit - das bedeutet, dass wir alles, was wir tun, getan haben und tun werden, auf einmal tun - in einem zeitlosen Augenblick. Das wir alles, was wir hören, sehen, erleben und erkennen, auf einmal erfahren. Das setzt voraus, dass wir unendlich sind.
Aber das sind wir definitiv nicht und das werden wir auch nicht im Himmel sein.
Genau diesem Missverständnis unterliegt jedoch die Vorstellung von der "Auferstehung im Tode". Eine Theorie, die übrigens in der Bevölkerung nicht sonderlich weit verbreitet ist. Aber viele, die Theologie studiert haben oder sich damit beschäftigen, verstehen das Jenseits auf diese seltsame Weise.
Das liegt daran, dass Otto-Normal-Glauber meint, die Ewigkeit sei eine ganz, ganz lange Zeit. Wer sich nun ein wenig mit Theologie und Gotteslehre beschäftigt, lernt dagegen sehr schnell, dass diese Vorstellung irrig ist. Gott ist eben außerhalb der Zeit!
Ja, Gott! Der ist ja auch unendlich. Aber die zeitlose Ewigkeit ist eben nur Gott vorbehalten und für uns nicht zugänglich. Wir Menschen mögen im Jenseits vollkommen sein - aber unendlich werden wir nicht.
Der Himmel ist eben von einer anderen Beschaffenheit: Schon zeitlich, aber mit einer "verklärten Zeit".
Wie schon beim "verklärten Leib" wissen wir nicht genau, was das bedeutet. Wir wissen nur, dass es im Himmel keine Langeweile mehr gibt, kein Warten und kein entsetzter Ausruf: »Wie? Schon vorbei?« Aber es handelt sich immer noch um Zeit, das heißt um ein zeitliches Nacheinander von liebevollen Ereignissen.
Die "Auferstehung im Tode" mag auf den ersten Blick verheißungsvoll klingen. Auf den zweiten Blick geht damit so ziemlich alles den Bach runter, was wir glauben. Angefangen mit der "leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel" (das wäre dann ja nichts besonders mehr - das gilt dann ja für alle!), bis hin zum Grab Jesu, dass dann selbstverständlich nicht leer gewesen ist.
Zwar meint Greshake, dass das Grab doch leer gewesen sei - aber eben nicht aufgrund der Auferstehung Jesu, sondern als eine Art zusätzliches Zeichen (Zeichen wofür?).
Auch die (im zweiten Makkabäerbuch) bezeugte Fürsprache der bereits Verstorbenen für die noch Lebenden macht dann keinen Sinn. Wenn es im Jenseits keine Zeit gibt, sind auch alle Verstorbenen "schon da". Warum dann noch für jemanden beten, der ja gar nicht mehr auf Erden weilt?
Damit ist auch die gesamte "Gemeinschaft der Heiligen", wie wir sie im Glaubensbekenntnis bekennen, aufgehoben. Die uns bereits im Tod Vorausgegangenen beten nicht mehr für uns Irdischen - wir sind in deren Augen ja bereits schon auferstanden.
Es mag schön sein, sich das Jenseits ohne Fegefeuer vorzustellen. Aber abgesehen davon, dass das "Fegefeuer" sowieso als ein "Zustand der Reinigung" verstanden werden sollte und nicht als ein Ort des Feuers, ist der Verzicht auf eine Reinigung der Seele nach dem Tod wie ein Bumerang, der den Werfer trifft: Wenn es keine Zeit der Reinigung nach dem Tod gibt, dann macht auch ein Reinigung vor dem Tod keinen Sinn: Es gibt nur schwarz und weiß. Wer glaubt, der gelangt zur Auferstehung. Über diese eine Bewegung auf Gott zu bedarf es dann keiner weiteren Bemühungen.
Das ist wie mit einer Generalamnestie: Wenn zu einem bestimmten Zeitpunkt alle Strafen nachgelassen werden, dann macht es keinen Sinn, schon vorzeitig Reue zu zeigen. Im Gegenteil: Man kann sich sogar bis zu diesem Termin noch ein paar Sünden zu Gemüte führen, vergeben wird dann ja doch alles.
Wenn mit dem Zeitpunkt des Todes bereits die Auferstehung einsetzt, dann brauche ich vorher zumindest keine intensive Buße tun. Okay - glauben sollten wir lieber schon, nicht dass wir in der Hölle landen. Aber ein durchschnittliches Christentum müsste doch auch schon reichen, oder?
Die Vertreter der "Auferstehung im Tod" sind allerdings nicht alle einer einheitlichen Auffassung. Viele Theologen gehen sogar davon aus, dass es keinen "doppelten Ausgang" (also Himmel und Hölle) gibt, sondern dass Auferstehung immer den Himmel meint. Damit sind wir bei dem letzten Abschnitt: Der All-Erlösung.
Weiterlesen: Alternative Jenseitsvorstellungen