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KARL-LEISNER-JUGEND |
Anbetung und Sakrament
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Wer diese Worterklärung schon in der Katechese «Gebet und Anbetung - Eine Unterscheidung» gelesen hat, kann diesen Abschnitt natürlich überspringen.
Der Unterschied zwischen Gebet und Anbetung ist sprachlich gesehen eher klein: Lediglich zwei Buchstaben sollen etwas fundamental anderes bedeuten? Beten soll etwas ganz anderes sein als an-beten? Im Lateinischen ist das übrigens genauso: Aus «orare» (beten) wird «ad-orare» (anbeten). Im Englischen werden dagegen zwei ganz unterschiedliche Worte verwendet: Einmal «to pray» (beten) und «to worship» (anbeten) oder auch manchmal «to adorate». Ähnlich ist es auch in anderen Sprachen, mal besteht der Unterschied nur in einer Silbe, mal werden verschiedene Wörter verwendet: span.: oracion - adoracion; ital.: preghiera - adorazione).
Im Alt-Griechischen (die Sprache des Neuen Testamentes) ist der Unterschied allerdings größer: Das Wort für Anbetung heißt «proskyneo» im Gegensatz zu «pros-euchomai» für Beten. Der Unterschied ist deshalb so groß, weil damit zwei ganz verschiedene Tätigkeiten beschrieben werden. «Proseuchomai» setzt sich aus «pros» (zu) und «eukhomai» (wünschen, bitten) zusammen und beschreibt ganz gut, was wir bisher zum Gebet gesagt haben. «Proskyneo» beschreibt dagegen das Verhalten eines Hundes («kyon»), der sich vor einem Größerem oder Stärkeren zu Boden und auf den Rücken wirft. Man könnte es mit «hündeln» übertragen. Im Laufe der Zeit wurde zwar mit dem Wort eine übliche kultische Geste bezeichnet, die auch in einer Verneigung, einer Verbeugung oder einem Kniefall bestehen kann, letztlich aber immer das «zu Boden werfen» bzw. die «Unterwerfung» mit-meinte.
Im vorchristlichen Religionen war die Proskynese, also das Niederwerfen, auch vor Menschen üblich, so vor allem vor den antiken Herrschern. Auch legen die biblischen Autoren wert darauf, dass die Proskynese, also die Anbetung, allein Gott gebührt:
In der Apostelgeschichte (Apg 10,25-26) heißt es, dass der Hauptmann Kornelius dem Apostel Petrus «zu Füßen fiel und Proskynese darbrachte». Aber diese Proskynese wird von Petrus mit folgenden Worten zurückgewiesen: «Steh auf, ich bin nur ein Mensch.»
In der Offenbarung des Johannes will der Seher Johannes zweimal vor einem Engel niederfallen (proskyneo) - (Offb 19,10 und Offb 22,8-9) -, wird aber jedesmal zurückgewiesen: «Lass sein! Ich bin dein Mitknecht ... bring Gott Proskynese dar!»
Eindeutig ist auch in Offb 5,13-14 die Anbetung Jesus bezeugt: «Und ich hörte alle Geschöpfe im Himmel und auf der Erde und unter der Erde ... sagen: Dem, der auf dem Thron sitzt und dem Lamm gebührt der Lobpreis und die Ehre und die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Und die vier Wesen sprachen: Amen. Und die Ältesten fielen nieder und brachten Proskynese dar.» Schließlich: Im Lukas-Evangelium versucht Satan Jesus (Lk 4,7.8): «Wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest, wird dir alles gehören. Jesus antwortete ihm: In der Schrift steht: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen (proskyneo) und ihm allein dienen.»
Dass die Anbetung Gott allein gebührt, ist gemeinsame Ansicht aller Christen und biblisch gut begründet.
 
Die Frage, was es denn ist, das die Anbetung so besonders macht, dass sie alleine Gott gebührt, wollen wir nun näher betrachten.
Die Frage, welcher Gebetsinhalt auf die Anbetung beschränkt ist und nicht mehr in die Kategorie des allgemeinen Gebets fällt, können wir nicht mit einzelnen Gebetsanliegen antworten. Bitten, Danken, Loben, Klagen, Fragen usw. können wir nämlich auch in Bezug auf jeden Menschen (ja: auch in Bezug auf die Verstorbenen und die Heiligen. Eben in Bezug auf jeden Menschen!). Und in Bezug auf Gott.
Der Gebetsinhalt, der Gott allein vorbehalten ist, besteht nicht in einem Anliegen oder einer seelischen Regung, sondern in der Hingabe. Konkreter: Der Ganzhingabe. Anbetung ist nämlich die Übereignung der eigenen Person an Gott, ohne jeden Vorbehalt.
So habe ich in der Katechese zur Sexualität geschrieben, dass die Größe einer Liebe sich durch das zeigt, was ich bereit bin aufzugeben - oder hinzugeben. Die Liebe ist dann am größten, wenn ich meinem Geliebten (oder meiner Geliebten) bereit bin, alles hinzugeben. Mit einer wichtigen Einschränkung (lies im Zweifelsfall dort nach): Nicht alles, nur das, was ich einem Menschen geben kann. Allein Gott hat ein Recht auf die vollkommene Hingabe meines Herzens, meines Willens, meines Verstandes, mit all meiner Kraft und meiner Seele (vgl. Lk 10,27; Mt 23,37; Mk 12,30).
Ich darf mich keinem anderen Menschen ganz hingeben - weil kein anderer Mensch der Verantwortung gewachsen ist. Schon allein, weil die Menschen Sünder sind, aber auch deshalb, weil wir Menschen alle endlich sind. Allein bei Gott weiß ich, dass ich gut aufgehoben bin, wenn ich mich Ihm hingebe. Er wird meinen Verstand nicht beschränken, sondern weiten. Er wird mein Herz nicht missbrauchen, sondern heilen. Er wird meine Seele nicht missbrauchen, sondern befreien. Nur Gott gehören all meine Gedanken - weil er sie schon alle kennt (auch die zukünftigen). Und nur ihm kann ich mich mit meiner ganzen Kraft ergeben, weil er sie nicht benutzen oder ausnutzen wird - sondern vergrößern. «Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft.» (Mk 12,30)
Diese Hingabe kann mit Worten geschehen - oder im Schweigen. Sie kann durch Lieder ausgedrückt werden - oder durch Gesten. Sie kann sich im Handeln zeigen - oder darin, dass ich bestimmte Handlungen verweigere. Aber immer gilt, dass Hingabe geschieht: Sie ist nicht nur eine Absicht, die ich im Inneren pflege, aber nicht zu erkennen gebe. Sie ist vielmehr der Zusammenklang von innerer Hingabe und äußerem Tun, die aus einer bloßen Absicht und einem rein äußerlichem Zeichen eine echte Anbetung werden lässt: Ein Ereignis. Eine Wirklichkeit.
Deshalb erkennt man Anbetung nicht allein an einzelnen Worten oder Gesten. So mancher Nicht-Katholik glaubt, dass allein schon eine Kniebeuge vor einem Kreuz eine verbotene Form der Anbetung sei. Aber dazu noch mehr unter: «Gefährliche Grenzen».
Die Erkenntnis, dass ich mich niemals in meinem ganzen Sein jemandem anderen vorbehaltlos übereignen darf als nur Gott, ist allerdings nicht das einzige, worauf Gott ein alleiniges Recht hat.
Sündenvergebung: So dürfen wir niemanden außer Gott um Vergebung unserer Sünden bitten. (Lk 5,21: «Niemand kann Sünden vergeben außer Gott allein!»)
Natürlich kann ich einen anderen Menschen um Vergebung bitten, wenn es um ein konkretes Fehlverhalten geht, eine bestimmte Tat oder eine Phase in meinem Leben. Und dieser Mensch darf mir selbstverständlich vergeben. Aber nur Gott allein kann «die Sünden» vergeben, also die Gesamtheit meiner Verfehlungen - und all ihrer Folgen. Insbesondere all das, was die vielen Sünden aus mir gemacht haben, kann kein Mensch aufheben.
Jesus (der ja schließlich Gott ist) hat durch seinen Tod am Kreuz meine ganze Schuld gesühnt. Ja, sogar die Schuld aller Menschen. Jemand anderes um diese Vergebung zu bitten - oder einem anderen dafür zu danken, zu loben oder zu preisen - ist verratene Anbetung. Oder, wie man auch sagt: Götzendienst.
Das gilt übrigens auch, wenn ich glaube, ich könne mir selbst all das vergeben, was ich tat und was ich bin - und damit wäre dann alles gut. Man kann sich selbst nicht entschuldigen - nur um Entschuldigung bitten.
Erlösung:Aus diesem Grund kann ich auch niemanden anderes um die Erlösung bitten. Deshalb bitten wir Maria, die Engel und alle Heiligen immer nur um ihre Fürsprache. Beispielsweise können wir Maria auch bitten, der verheißenen Erlösung würdig zu werden (so im ältesten Mariengebet der Kirche «Unter deinen Schutz und Schirm»). Die rettende Tat aber hat alleine Gott am Kreuz vollbracht.
Ewiges Leben:Die Vergebung der Sünden ist die Voraussetzung für das ewige Leben. Wenn nur Gott diese Voraussetzung wirkt, macht es auch keinen Sinn, jemand anderes außer Gott um die Frucht der Vergebung zu bitten. Gott allein kann das ewige Leben schenken. Niemand sonst.
Ich könnte diese Liste noch weiter führen und würde immer noch weitere Aspekte finden. Letztlich stehen diese immer im Zusammenhang mit der Menschwerdung, der Vergebung und der Erlösung. Gott allein vorbehalten ist zudem die Allwissenheit (zum Beispiel auch meiner heimlichsten Gedanken), die Überzeitlichkeit (die Ewigkeit) und die Allmacht. Und vor allem: die All-Güte. Nur von Gott können wir sagen, dass Sein Wirken keine unerwünschten Nebenwirkungen hat. Was er tut, ist immer gut!
Ich höre schon den Einwand: Wenn Gott allein die Sünden vergeben kann - wieso maßen sich dann die katholischen Priester an, von diesen Sünden z. B. in der Beichte freisprechen zu können?!
Die Antwort ist biblisch gut belegt: In Johannes 20,22f. verleiht Jesus seinen Schülern den Geist und überträgt ihnen die Vollmacht zur Sündenvergebung! Ja, die ganze Kirche soll und kann im Geist die Vollmacht zur gegenseitigen Vergebung ausüben. Aber es ist letztlich immer Gott, der vergibt - nicht der Priester! Der Priester vollzieht nur den Dienst, die Vergebung sichtbar und hörbar zu machen, die Gott allein schenkt.
So gut diese Übertragung an die Jünger belegt ist: Sie bleibt eine (dreifache) Herausforderung.
An die Priester: Sich selbst in diesen Dienst zu stellen. Nicht Herrscher, sondern Diener der Freude zu sein (2 Kor 1,24: «Wir sind nicht Herren über euren Glauben, sondern wir sind Mitarbeiter eurer Freude; denn im Glauben steht ihr fest.»)
Und sie ist eine Herausforderung an die Empfänger des Sakramentes, darin wirklich ein Geschenk Gottes zu sehen und nicht ein rein menschliches Handeln des Priesters.
Und sie ist eine Herausforderung an die ganze Kirche, sich immer daran zu erinnern, dass jeder Getaufte (und Gefirmte) dazu berufen ist, Gottes Wirken in die Welt zu tragen. Sich dessen bewusst zu sein, ist eine große Bürde - und eine große Gnade!
Das gilt übrigens für alle Sakramente: Es ist immer Gott, der (durch uns) wirkt.
Anbetung ist nicht in zuerst ein Tun des Menschen, sondern eine Antwort auf den Anruf Gottes. Dabei schenkt uns Gott nicht «etwas» (wie zum Beispiel die Erlösung, den Himmel, die Vergebung der Sünden), sondern immer «sich selbst».
Denn Himmel ist nichts anderes als das selige Zusammensein mit Gott (und allen Erlösten). Vergebung heißt, dass Gott die Trennung aufhebt, die wir durch die Sünde herbeigeführt haben - und die uns von Ihm fern hält. Erlösung ist die wieder hergestellte Nähe zu Gott, das Schauen von Angesichts zu Angesicht. Mit anderen Worten: Gott schenkt sich selbst - seine Nähe und Zuwendung.
Wenn Gott sich aus freien Stücken den Menschen schenkt, dann besteht die angemessene Erwiderung darin, dass wir uns Ihm schenken. Das ist Anbetung - und nur Gott gegenüber möglich, weil nur Gott den Weg zu uns bahnt.
Gott gibt sich uns hin?! Schon wieder so eine Aussage, die stark nach Gotteslästerung klingt. Ist denn der Mensch ein Gott, dass wir die Hingabe wechselseitig denken dürfen? Nein. Auf keinen Fall. Gott, der sich in unsere Hände legt, ist bei uns eben nicht gut aufgehoben. Wir Menschen haben ihn verspottet, gefoltert und gekreuzigt. Und wenn er sich uns in den Sakramenten immer wieder neu schenkt, dann weiß er, dass wir damit im Grunde überfordert sind.
Und dennoch gibt er sich uns.
«Jesus Christus war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz.» (Phil 2,6-8)
Gottes Hingabe an uns ist also nicht Teil eines wechselseitigen, gleichberechtigten Geschehens, sondern sein Anruf an uns, auf den wir dann hoffentlich anbetend antworten. Das geschah in seiner Menschwerdung (und in der Anbetung der Hl. Drei Könige), in seiner Kreuzigung und in den Begegnungen mit dem Auferstandenen (und der Anbetung durch die Jünger, z. B. Mt 28,17). Das geschieht seitdem immer neu in der Spendung der Sakramente.
Mit diesen Bestimmungen von «Anbetung» können wir schließlich den letzten, entscheidenden gedanklichen Schritt gehen. Denn letztlich ist Anbetung immer ein Geschehen, in dem Gott der eigentlich Handelnde ist, nicht der Mensch. Jede Anbetung ist eine Antwort auf die Erlösung, die Gott uns schenkt.
Erworben wurde die Erlösung für uns durch Jesus Christus am Kreuz, damals, vor fast 2000 Jahren. Aber die persönliche Annahme, das «Ja!» zur Vergebung, die Gott uns anbietet: das geschieht durch uns Menschen. Heute. «Gott, der dich erschaffen hat ohne dich (zu fragen), will dich nicht erlösen ohne dich (, deine Mitwirkung und deine Zustimmung).» (Augustinus). In jedem Sakrament bietet uns Gott die Erlösung und das neue Leben an. Und in jedem Sakrament ist unser «Ja!» Voraussetzung dafür, dass ich an diesem neuen Leben teilhabe. Dieses Ja ist Anbetung.
Deshalb ist die Anbetung für uns Katholiken zunächst mit der Feier und dem Empfang der Sakramente verknüpft - vor allem der Eucharistie. Katholiken kennen daher vornehmlich die «eucharistische Anbetung», in der wir Gott in den gewandelten Gestalten von Brot und Wein anbeten.
Allerdings bringt jedes Sakrament Augenblicke der Anbetung mit sich, auch wenn wir darüber oft hinwegsehen. Und: Die Anbetung ist nicht auf die sakramentale Gegenwart Jesu beschränkt.
Im Grunde ist jede Anbetung still; zumindest in ihrer schönsten und höchsten Intensität. Dann fehlen die Worte - und uns sind auch keine mehr nötig. Wir kennen das aus der liebenden Begegnung mit den wenigen Menschen, die wir aufrichtig lieben. In bestimmten Momenten wären Worte, Geste und Taten nur störend. Die beiden Seele schwingen im Gleichklang - oder meine Seele im Einklang mit Gott.
In der freikirchlichen, baptistischen und auch pfingstlerischen Bewegung wird unter Anbetung zumeist «worship» verstanden; eine Anbetungsform, die hauptsächlich aus gesungenem Lobpreis besteht - aber mit ganzer Hingabe, mit Leib, Seele und Herz. - Ist das nicht der direkte Gegensatz zur katholisch eucharistischen Anbetung, die oft in Stille und persönlicher Innerlichkeit besteht?
Ein Gegensatz? Vermutlich schon. Aber kein Widersprich! Die anbetende Form des Lobpreises kann sich sogar auf König David berufen! Dieser hat zu seiner Zeit versucht, die Opfer- und Schlachtgottesdienste durch immerwährenden Lobgesang zu ersetzen. Er schrieb dazu Lieder (viele der Psalmen) und erfand sogar Musikinstrumente. Hauptsache: Laut!
Viele Katholiken können mit dieser Form nichts anfangen - wobei das auch an der jeweiligen Landeskultur liegen mag. Allerdings sollte auch der laute Lobgesang, der vor allem eine gemeinschaftliche Form der Anbetung ist, nicht die anbetende Stille ersetzen - sondern vorbereiten und dorthin führen.
Anbetung, die sich in Tätigkeiten zeigen soll, wäre ein weiterer Gegensatz. Ist Anbetung nicht gerade das Ende aller Geschäftigkeit? - Tatsächlich kommen wir diesem Gedanken eher auf die Schliche, wenn wir zunächst an falsche Anbetung denken. Menschen setzen gelegentlich selbstgemachte Idole an die Stelle Gottes - zum Beispiel streben sie nach Macht, Ansehen, Geld und Ehre. Wenn sie dafür alles, was sonst in ihrem Leben einen Wert hat, opfern, (ja, manchmal buchstäblich über Leichen gehen), dann erheben sie diese weltlichen Dinge zu Göttern. Wir sprechen allerdings besser von Götzen - denn wirklich retten können diese Ziele niemanden.
Wenn nun durch schlechte Taten falschen Götzen gehuldigt wird, dann heißt das im Umkehrschluss, das durch richtiges Handeln dem wahren Gott die Ehre gegeben werden kann, die Ihm gebührt. Oder, anders ausgedrückt: Die Anbetung Gottes kann auch durch richtiges Handeln verwirklicht werden.
In einer Zeit, in der viele Menschen falschen Götzen folgten - in der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland - sprach deshalb der katholische Jesuit und Widerstandskämpfer Alfred Delp: «Am wichtigsten aber ist die ungebrochene Treue und die unverratene Anbetung». Damit meinte er nicht, dass wir uns in schwierigen Zeiten aus der Welt zurückziehen sollten, um in Stille anzubeten (obwohl er das sicher auch gut geheißen hat), sondern dass wir in der Welt, dem Staat und unserem Leben Gott die Ihm gebührende Achtung nicht verweigern dürfen.
Letztlich darf uns das nicht verwundern: Wenn Anbetung wirklich die vollständige Hingabe des Menschen an Gott bedeutet, kann sie nicht auf Zeiten des Gebetes beschränkt bleiben. Sie muss unser ganzes Leben umfassen.
Allerdings gibt es in der katholischen Frömmigkeit Lieder, Gebete und Traditionen, die scheinbar die Grenzen überschreiten. Da lohnt sich jeweils ein genauer Blick:
Manche Gebete («My Queen, my mother, I give myself entirely to you! And to show my devotion to you, I consecrate to you this day...» - «O meine Königin, o meine Mutter, dir bringe ich mich ganz dar. Und um dir meine Hingabe zu bezeigen, weihe ich dir heute meine Augen, meine Ohren, meinen Mund, mein Herz, mich selber ganz und gar...») oder Lieder (im Marienlied «Wunderschön prächtige» heißt es: «Gut, Blut und Leben will ich Dir geben, alles was immer ich hab, was ich bin geb' ich mit Freuden, Maria dir hin») scheinen die Ganzhingabe auch an Maria zu feiern. Ich gebe zu, allein von der Wortwahl lässt sich da kein großer Unterschied zur Anbetung Gottes im Sinne der Ganzhingabe erkennen (andere Unterschiede sind allerdings immer noch vorhanden!).
Aber einzelne Gebete oder Lieder dürfen nicht aus ihrem katholischen Kontext gelöst werden. Wer katholisch ist, weiß, dass Maria alle, die sich ihr weihen, ihrem Sohn übergibt. Maria weiß um ihre Rolle als Mensch und drängt sich nicht zwischen uns und Gott; ebenso weiß der gläubige Katholik, dass Maria Wegbegleiterin zu ihrem Sohn ist. So ist einer Hingabe an Maria immer in dem Sinn gemeint, dass Maria uns hilft, uns ganz dem Sohn Gottes anzuvertrauen.
In der Karfreitagsliturgie scheint es eine andere Grenzüberschreitung zu geben. Denn bei der Kreuzverehrung singt der Priester dreimal: «Seht das Kreuz, an dem der Herr gehangen, das Heil der Welt! Kommt, lasset uns anbeten!», begleitet von einer dreifachen Kniebeuge. Anschließend werden alle Gottesdiensteilnehmer eingeladen, das Kreuz ebenfalls durch drei Kniebeugen zu ehren.
Auch hier gilt, einem einzelnen Brauch nicht etwas zu unterstellen, was sonst keinen Platz im katholischen Glauben hat: Natürlich beten wir nicht das Kreuz an, schon gar nicht das konkrete Kreuz, das sich in meiner Pfarrkirche befindet. Wir beten Jesus Christus allein an. Aber warum sagen wir dann so etwas Grenzwertiges? Und bestätigen es noch durch die dreifache Kniebeuge?
In diesem Fall - nämlich als zentrales Element im Karfreitagsgottesdienst - ist das Kreuz nicht (wie sonst) eine Erinnerung oder ein Symbol für Jesus Christus. Am Karfreitag steht das Kreuz für die schreckliche Folter, die mit dem Erlösungstod Jesu einherging. Und für die Größe seiner Liebe, die dieses Leid für uns auf sich nahm. In der Verehrung des Kreuzes beten wir die Erlösungstat Jesu an und nehmen sie als für uns wirksam an, indem wir uns unter dieses Kreuz beugen.
Manchmal sprechen Verlobte (seltener auch Verheiratete) von ihrem Ehepartner als meine «Angebetete» oder ihrem «Göttergatten». Auch das klingt nach einer Aufweichung des Gebotes, Anbetung allein Gott vorzubehalten. Noch eindeutiger dürfte die immer noch übliche Geste sein, mit der der Bräutigam der Braut einen Heiratsantrag macht: Er geht vor ihr auf die Knie (seltener umgekehrt).
Anstatt von einer eher weltlichen Entgleisung zu sprechen (die Sprache und die Geste ist ja keine kirchliche!), möchte ich positiv aufgreifen, was in dieser Art und Weise miteinander umzugehen verborgen ist. Denn ähnlich wie der Priester sich mit Worten und Gesten in den Dienst Gottes stellt und Gott es ist und bleibt, der in den Sakramenten wirkt, so erfährt auch der Ehepartner in der Liebe, die ihm durch einen anderen Menschen geschenkt wird, die Liebe Gottes. Beide, Mann und Frau, sollen füreinander eine Gotteserfahrung sein. Und so dürfen wir mit den Worten von Gerhard Tersteegen sehr wohl singen: «Ich bete an die Macht der Liebe!» und dabei auch an die Liebe denken, die Gott uns durch den Ehepartner schenkt.
Gleichwohl sollten wir auch hier vorsichtig sein: Der Weg, im Ehepartner ein Geschenk Gottes zu sehen, hin zu einer Vergötterung der ehelichen Romantik ist kurz.
Ein letztes: Nicht jede Kniebeuge ist gleichzeitig ein Ausdruck von Anbetung.
Wir können uns zwar kaum eine wahre Anbetung Gottes vorstellen, die nicht irgendwann auf die Knie geht, aber bei den frühen Christen galt das Stehen (und nicht das Knien) als angemessene Haltung bei der Begegnung mit Gott: Wir sind erlöst und dürfen Gott «in die Augen schauen». Der Kniefall zum Beispiel bei der Wandlung oder vor der Monstranz war dann eher der Ausdruck von Empathie: «Gott macht sich klein aus Liebe zu uns! Dann darf ich mich auch erniedrigen, ohne meine Würde zu verlieren!»
So war es viele Jahrhunderte üblich, vor weltlichen Herrschern auf die Knie zu gehen; auch vor kirchlichen Autoritäten war es hier und da üblich. Dabei gab es die verschiedensten Ausführungsbestimmungen (Verneigung? Verbeugung? Knicks oder Kniefall?), die alle kulturell bedingt sind. Zur Unterscheidung zwischen weltlicher und göttlicher Autorität galt vorübergehend sogar: «Das linke Knie beugt man vor dem König, das rechte allein vor Gott.»
Natürlich sind solche Grenzen psychologisch sinnvoll. Wichtig aber ist, dass wir im Inneren klar haben, vor wem wir die Knie beugen - und was dieser Kniefall jetzt bedeutet. Und das wir nur Gott geben, was alleine Gott gebührt.
Die Anbetung ist die Antwort auf die Menschwerdung, die Erlösung und die Auferstehung Jesu und schließt als unsere Antwort uns selbst, ganz und gar ein. Niemand anderem außer Gott gebührt diese Hingabe. Das nennen wir «Anbetung». Die Bibel verwendet dafür das Wort «proskynese».
Aber Gott ist Mensch geworden und hat unter uns gelebt als ein Mensch. Er hat Hochzeiten gefeiert, Wanderungen und Wallfahrten gemacht. Er hat mit den Menschen gegessen und geredet. Also dürfen wir Gott auch auf eine Art und Weise ansprechen, die sich nicht mehr groß von unseren Gesprächen mit anderen Menschen unterscheidet. Zur Unterscheidung sprechen wir von Gebet, nicht von Anbetung. Die Bibel verwendet dafür das Wort «proseuchomai».
Es ist zwar wichtig, sich immer bewusst zu sein, mit wem wir gerade reden. Reden wir mit Gott? Oder nur mit einem Menschen? Aber letztlich ist der Unterschied weniger etwas, dass sich in Formen und Worten wiederfindet, sondern im meiner Haltung. Gott schaut in unser Herz. Darauf kommt es an.
Für uns Katholiken geschieht die «Anrede» Gottes in den Sakramenten, auf die wir dann anbetend antworten. Wir dürfen aber gerne von den großen Betern der Christenheit und auch den anderen Konfessionen lernen, dass eine Anbetung auch andere Formen annehmen kann. So lange sie zu Gott führen und unser Herz sie füllt, ist es gut.
Diese Katechese ist der vierte Teil dieser Reihe:
-> Katechese Nr. 162: Das persönliche Gebet (1. Teil)
-> Katechese Nr. 163: Das gemeinschaftliche Gebet (2. Teil)
-> Katechese Nr. 164: Gebet und Anbetung (3. Teil)
-> Katechese Nr. 165: Die Anbetung (dieser Text)
Und als Ergänzung: