Suche: 

Neue Site - empfehlenswert! Ein Ableger der Karl-Leisner-Jugend: aktueller, kürzer, frischer und moderner: www.gut-katholisch.de.

Maria

Maria, die Mutter Jesu, steht in einer seltsamen Spannung: Während sie in der Bibel nur eine untergeordnete Rolle zu spielen scheint, steht sie in der Gunst der katholischen Kirche in hohem Ansehen (noch höhere Wertschätzung findet sie in den orthodoxen Kirchen). Nicht nur für viele Evangelische, sondern auch für Außenstehende oder Neu-Bekehrte ist diese Spannung einfach zu lösen: Sie reduzieren Maria in der Verehrung und Theologie auf die Größe eines normalen biblischen Menschen. Das heißt, Maria ist zwar eine vorbildhafte Person (wie zum Beispiel auch die Apostel oder Johannes der Täufer), aber ihre Rolle in der Heilsgeschichte ist mit ihrem Tod beendet.

Aber warum hält die katholische Kirche weiterhin an der überragenden Rolle von Maria fest? Hat die Kirche kein Interesse an der Ökumene? Oder ist die Kirche zu sehr auf ihre Dogmen fixiert?

Die Antwort ist überraschend und einfach: Wer Maria auf eine Funktion reduziert, verändert unser Gottesbild - dramatisch!

 

 

PDF-Datei zum Drucken oder Download dieser Katechese

Diese Katechese ist auch als gedrucktes Heft (Nr. 044) erhältlich: Kostenlose Bestellung

I. Maria in der Heiligen Schrift

Schauen wir erst einmal in die Bibel. Maria wird dort zwar nicht häufig erwähnt - aber es ist keineswegs so, dass Maria im Neuen Testament nur eine Randfigur ist. Die Bibel macht Aussagen von enormen Gewicht über Maria.

In der Bibel wird übrigens Maria immer "Mariam" genannt - mit der einzigen Ausnahme in Lk 2, 19.
Die erste Erwähnung bei Paulus

Während sich Markus in seinem Evangelium nur auf die drei Jahre des öffentlichen Wirkens Jesu beschränkt (und deshalb Maria kaum erwähnt wird), weiten Lukas und Matthäus die Sicht auf Jesus aus und nehmen auch die Kindheit Jesu mit in den Blick - und damit Maria. Gleiches gilt für Paulus: Er erwähnt nur ein einziges Mal die Geburt Jesu (im Brief an die Galater, Kapitel 4, Vers 4); aber sofort nimmt Maria schon den Platz der "Gottesmutter" ein:

Gal 4, 4: Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen.

Damit liefert Paulus die erste Erwähnung Mariens (um 57. n Chr.). Zwar nennt er Maria nicht beim Namen, aber seine Aussage ist theologisch bedeutsam. Außerdem ist seine Formulierung formelhaft, was nahelegt, dass es sich bereits um einen "eingeprägten" Satz handelt - entweder um ein Verkündigungsschema oder eine Formel aus den Gottesdiensten.

Demnach wäre Maria bereits zu Lebzeiten zum festen Bestandteil des Gottesdienstes oder der Verkündigung geworden - und das schon innerhalb der ersten 15 Jahre nach Tod und Auferstehung Jesu.

Die Erwähnung bei Paulus ist theologisch deshalb bedeutsam, weil hier schon sehr früh zwei ganz wesentliche Aussagen über Jesus kombiniert werden: Paulus hält daran fest, dass Jesus bereits vor seiner Menschwerdung und Geburt existiert hat ("Präexistenz") - und betont mit der Erwähnung der Geburt durch die Frau gleichzeitig seine wahre Menschlichkeit. "Frau" bzw. Maria steht hier, wie auch den frühchristlichen Mariendogmen, für die wahre Menschheit Jesu. (Bonaventura, ein Theologe aus dem Mittelalter, sagte dementsprechend: "Wenn Du die Mutter Gottes aus der Welt nimmst, nimmst Du auch das menschgewordene Wort weg".)

Da an dieser Stelle nur die Mutter, aber nicht der Vater genannt wird, liegt sogar schon ein erster Hinweis auf die Jungfrauengeburt vor (denn gerade in der alten Vorstellung war die Rolle des Vaters bei der Zeugung viel wesentlicher als die der Mutter; wenn also der Vater nicht erwähnt wird, ist das für alle Hörer damals sehr ungewöhnlich gewesen - und muss einen guten Grund gehabt haben).

Es gibt immer wieder kritische Theologen, die behaupten, dass ursprünglich in der Bibel nur das öffentliche Wirken Jesu gestanden hätte - und die ganze Kindheit Jesu und damit auch die Rolle Mariens, wären nur hinzugefügt worden, um die naive Neugier des Volkes zu stillen (so, wie ja auch heute das Privatleben der Königsfamilien und Stars ganze Zeitschriften füllt - wenngleich auch nur wegen der großen Anzahl an bunten Fotos). Aber gerade diese frühe Paulusstelle im Galaterbrief (und eine andere im Brief an die Philipper (Phil 2, 6-11)) widerlegen das. Die Geburt des präexistenten Christus von "der Frau" gehört in die ursprüngliche Verkündigung.
Maria in den Evangelien: Bei Markus

Greifen wir nun eine Stelle aus den drei Evangelien heraus, in der Maria in Verhältnis zu Jesus erwähnt wird:

Die Situation ist immer die gleiche: Jesus predigt in seiner Heimat Nazareth; die Bewohner seines Heimatdorfes sind stark beeindruckt - aber in das Staunen mischt sich auch Zweifel:

Markus 6,3
Matthäus 13,55-57
Lukas 4,22
Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria und der Bruder von Jakobus, Joses, Judas und Simon? Leben nicht seine Schwestern hier unter uns? Und sie nahmen Anstoß an ihm und lehnten ihn ab.
Ist das nicht der Sohn des Zimmermanns? Heißt nicht seine Mutter Maria, und sind nicht Jakobus, Josef, Simon und Judas seine Brüder? Leben nicht alle seine Schwestern unter uns? Woher also hat er das alles? Und sie nahmen Anstoß an ihm und lehnten ihn ab.
Seine Rede fand bei allen Beifall; sie staunten darüber, wie begnadet er redete, und sagten: Ist das nicht der Sohn Josefs?

Gerade, weil sich die Stellen so sehr ähneln, fallen die Unterschiede auf. Bei Markus ist Jesus selbst der Zimmermann (Markus erwähnt Josef kein einziges Mal in seinem ganzem Evangelium!), während Matthäus ihn als den Sohn des Zimmermann und Lukas als den Sohn Josefs bezeichnet.
Gerade, weil Markus Josef niemals nennt, erstaunt die Erwähnung Mariens. Wie Matthäus und Lukas zeigen, ist es üblich, den Vater zu nennen. Gut - wenn Markus kein Interesse an den Eltern hat, mag er Josef weglassen. Aber dass er dann dennoch Maria erwähnt - das ist schon ein starkes Stück Theologie.

Markus hat tatsächlich ein theologisches Konzept: Die Gottessohnschaft Jesu wird in der ganzen Zeit des Wirkens Jesu von niemanden erkannt - erst nach seinem Tod ist der Hauptmann unter dem Kreuz der erste Mensch, der in Jesus den Sohn Gottes erkennt. Bis dahin wird Jesus nur von der Stimme aus dem Himmel (Mk 1,11; 9,7) und von den Dämonen aus der Tiefe als Sohn Gottes bezeichnet (Mk 3,11; 5,7).
Markus will aber deutlich machen, dass Jesus von Anfang der Sohn Gottes gewesen ist - aber eben unerkannt. Deshalb lässt er an dieser Stelle bewusst den Josef unerwähnt, aber bezeichnet Jesus ausdrücklich als Sohn der Maria. Im Zusammenhang ein eindeutiger Beleg für die Jungfrauengeburt Jesu und deren Sinn: Jungfrauengeburt und ewige Gottessohnschaft stehen in unmittelbarem Zusammenhang. Schon bei Markus.

Also auch bei Markus steht Maria im Dienste der Christologie: Durch die Erwähnung Mariens betont er, dass Jesus der Sohn Gottes ist - von Anfang an.

Maria in den Evangelien: Wenn's drauf ankommt...

Maria, so haben wir zu Beginn festgestellt, wird nicht häufig erwähnt - aber an entscheidenden Stellen.

So steht Maria am Anfang des Wirkens Jesu (bei der Hochzeit zu Kana - Joh 2, 1-12) und am Ende seines Wirkens unter dem Kreuz (Mt 27, 55f; Mk 15, 40; Joh 19, 25); Maria steht ebenfalls am Anfang des Wirkens des Heiligen Geistes (Lk 1, 35) und am Anfang der Kirche beim Pfingstereignis (Apg 1,14).

Natürlich können wir diese entscheidenden Bibelstellen einzeln durchgehen, aber das wollen wir den Fachtheologen überlassen. Für uns ist vor allem wichtig, aus der seltenen Erwähnung Mariens nicht den Schluss zu ziehen, dass man sie auch genauso gut streichen könnte... Maria ist nicht - wie heute auch viele Katholiken meinen - ein "Sahnehäubchen" auf den ansonsten vollständigen Glauben.

Maria hat ihre Aufgabe eben nicht mit der Geburt Jesu (und eventuell seiner Erziehung) erfüllt und tritt nun von der biblischen Bühne ab. Nein: Sie bleibt so unlösbar mit ihren Sohn verbunden, dass sie nicht nur bei allen Heils-entscheidenden Momenten im Leben Jesu zugegen ist - sondern zudem auch von den Evangelisten ein jedes mal erwähnt wird.

Die Evangelisten, die die Anwesenheit Mariens erwähnen, entdecken in dieser Frau ein göttliches Konzept: Maria ist die Frau des Bundes Gottes mit den Menschen.

Maria ist ein echter Typ
Maria - Keine Lebens-Abschnitts-Mutter

Maria ist also nicht nur ein Mensch mit einem zeitlichen Auftrag. Der Engel in Nazareth meinte also nicht: "Liebe Maria, sei so gut und empfange ein Kind, nenne es 'Jesus' und erziehe es gut jüdisch. Den Rest macht er dann schon selbst...".

Maria ist nicht nur eine Funktionärin - sie ist die bleibende Antwort des Menschen. In Maria hat der neue Bund des Menschen begonnen - und da es sich um einen ewigen Bund handelt, ist sie es auch noch heute.

Die Christen haben sich mit ihrer Theologie gegen ein Gottesbild gewandt, das in vielen heidnischen Religionen vorherrschte: Gott ist nicht wirklich am Menschen interessiert, braucht aber hier und dort einen Menschen als Erfüllungsgehilfen. Ist die Mission erfüllt, hat der Mensch ausgedient - diesen heidnischen Göttern geht es nicht um Liebe.
Dagegen spricht die Bibel eine andere Sprache: Jesus Christus ist Mensch geworden - und auch Mensch geblieben, selbst im Tod und nach der Auferstehung.

Leider hat der Mensch immer wieder den Hang, andere Personen auf deren Funktion zu reduzieren (oder hat schon mal jemand die Kassiererin an der Kasse im ALDI mit Handschlag begrüßt und verabschiedet?). Damit das nicht mit Jesus Christus, mit Maria und dann letzten Endes mit allen Menschen geschieht, gibt es die Dogmen der Kirche - vor allem die frühchristlichen Dogmen - und natürlich die Dogmen über Maria.

II. Maria in den Dogmen der Kirche

Wir haben schon festgestellt, dass die Jungfräulichkeit Mariens bereits in den Evangelien angedeutet wird. Aber Andeutungen sind nunmal vage; so verwundert es nicht, dass verschiedene Konfessionen und Sekten, die sich auf die gleichen biblischen Texte beziehen, zu unterschiedlichen theologischen Ansichten über Maria gelangen.

Aber gerade das ist nicht der Grund, weshalb bestimmte Aussagen über Maria zu Dogmen (d.h. zu endgültigen Lehraussagen der Kirche) erhoben wurden. Alle Dogmen wurden formuliert, um Christus zu verherrlichen - bzw. um die Lehre von der Göttlichkeit Jesu zu bewahren und zugleich an seiner wahren Menschennatur festzuhalten.

Das gilt für alle drei großen Mariendogmen: Die Jungfrauengeburt, die Unbefleckte Empfängnis und die Leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel.

1. Jungfrau und Mutter

Ein Beleg dafür, dass die Evangelien davon ausgehen, dass Maria als Jungfrau schwanger wurde, ist nicht schwer - sogar bei Markus und Paulus lassen sich deutliche Hinweise finden (s.o.). Vor allem aber bei Lukas heißt es, dass die Empfängnis ein Wunder sei, das nur für Gott möglich sei (Lk 1, 37).

Trotz scharfer Angriffe und spitzer Spötteleien heidnischer Schriftsteller hat die Kirche - bereits in den ersten Jahrzehnten nach Abfassung der Evangelien - immer an der Jungfrauengeburt festgehalten.

Im gnostischen Philippus-Evangelium (aus dem 2. Jahrhundert n. Chr.) wird z.B. die Jungfrauengeburt zurückgewiesen - weil der Geist als weiblich verstanden wird: "Einige sagen, Maria habe aus dem Heiligen Geist empfangen. Sie täuschen sich. Sie wissen nicht, was sie sagen. Wann hat nämlich jemals eine Frau von einer Frau empfangen?" Das Philippus-Evangelium geht von der Vaterschaft des Josefs aus.
Dagegen hat Kelsos um 180 n Chr. ins seiner Attacke gegen die Christen eine andere Variante ins Spiel gebracht: Demnach sei Jesus der Sohn eines Soldaten Panthera gewesen - und Josef habe Maria wegen Ehebruchs verstoßen. (Diese Variante wird heute noch regelmäßig aufgewärmt, so z.B. auch in "Das Leben des Brian".) Kelsos hielt die Christen für ungebildete Leute und glaubte, sie würden ohne nachzudenken Ideen aus der griechischen Mythologie (in der des öfteren Götter aus dem Olymp herabsteigen und irdische Frauen schwängerten) für bare Münze nehmen.
Der Neuplatoniker Porphyrius (Ende des 3. Jahrhunderts n. Chr.) sieht allerdings in der Menschwerdung eine schlimmere Verirrung als alles, was die Griechen gelehrt haben: "Ihre Erkenntnis (=die Erkenntnis der Griechen) war eine reinere, als sie der hat, der glaubt, das Göttliche sei in den Leib der Jungfrau gekommen, zum Embryo geworden, so geboren und in Windeln gewickelt worden, ganz beschmutzt..."
Dagegen kann sich der Jude Tryphon den christlichen Glauben von der Geburt Jesu von einer Jungfrau nur als Übernahme aus schändlicher Mythologie erklären: "Ihr solltet euch schämen, so etwas zu erzählen wie die Griechen. Besser wäre es, ihr würdet von diesem Jesus behaupten, dass er als Mensch von Menschen geboren wurde, und würdet, wenn ihr den Schriftbeweis für seine Messianität gebt, erklären, er sei wegen seines gesetzmäßigen und vollkommenen Lebens zum Christus berufen worden. Zu Wundergeschichten sollt ihr euch jedoch nicht versteigen, um nicht wie die Griechen der Torheit bezichtigt zu werden."

Der Vorwurf, zur Zeit Jesu hätte man noch sehr naiv alles Wunderbare geglaubt - aber heute könne man die Schwangerschaft einer Jungfrau nicht mehr glauben - ist also absurd. Bereits bei Justin (dem Märtyrer, 2. Jahrhundert n. Chr.) finden sich auch alle modernen Einwände gegen die Jungfrauengeburt. Auch damals wusste man, dass zur Zeugung eines Kindes auch ein Vater notwendig war.

Seit Anbeginn der Kirche war die Jungfräulichkeit Mariens Bestandteil des Glaubens, sogar die Reformatoren haben daran festgehalten. Erst die moderne Leben-Jesu-Forschung, die alles aus der Bibel strich, was gegen den naturwissenschaftlichen Augenschein sprach, hat gegen 1830 (vor allem durch D. F. Strauß) die Jungfrauengeburt auch innerhalb der Kirche (zunächst in der evangelischen Kirche, ca. hundert Jahre später dann auch in der katholischen Kirche) zweifelhaft erscheinen lassen.

Das Problem der Kritiker dieser Glaubenswahrheit liegt darin, dass sie von der Unmöglichkeit einer geistgewirkten Empfängnis überzeugt sind - aber nicht erklären können, wie es denn zu einer solchen Glaubensüberzeugung kam. Obwohl verschiedenste Theorien aufgestellt wurden, konnten sich die Kritiker selbst nicht auf eine Herleitung einigen - vermutlich, weil es für alle Hypothesen keinen einzigen Beleg gibt.

Den Einwand mancher Christen, die Jungfräulichkeit Mariens sei nicht biblisch und erst später in den Glauben eingefügt worden, lässt sich leicht zurückweisen. Der Einwand mancher anderer Christen hingegen, es sei doch egal, was die Kirche oder die Evangelien berichten ("Für meinen Glauben spielt es eben keine Rolle, ob Maria Jungfrau oder Mutter einer ganzen Reihe von Kindern gewesen ist!"), stellt nun die Frage, warum die Kirche denn gerade an diesem Wunder so festgehalten hatte. Warum hält die Kirche dann daran fest, wenn die Jungfrauengeburt zu allen Zeiten der Kirchengeschichte ein Hindernis in der Verkündigung war - und heute ein Hindernis in der Ökumene?

V.A.P. / V.I.P. / V.P.P.

V.I.P.?!? - Diese Sammlung von Kürzeln führt uns nun in den Kern der Jungfräulichkeit Mariens. Es geht nämlich einmal darum, auf welchen Zeitraum sich die Jungfräulichkeit Mariens bezieht - aber vor allem darum, wie die Jungfräulichkeit zu verstehen ist:

  • War Maria nur bis zur Geburt ihres Sohnes Jungfrau (virginitas ante partum - "Jungfrau bis zur Geburt" - v.a.p.)?
  • Hatte Maria nach der Geburt ihres Erstgeborenen Jesus noch weitere Kinder - die in der Bibel erwähnten Brüder Jesu? Oder blieb Maria auch nach der Geburt Jesu Jungfrau (virginitas post partum - "Jungfrau nach der Geburt" - v.p.p.)?
  • Oder ist die Jungfräulichkeit sogar so biologisch zu sehen, dass selbst während der Geburt Maria ihre Jungfräulichkeit bewahrt hat (virginitas in partu - "Jungfrau während der Geburt" - v.i.p.)?
V.A.P. - Die Vaterlose Schwangerschaft

Wie bisher gezeigt, ist das Zeugnis der Bibel so zu verstehen, dass Maria vor der Geburt ihres Sohnes Jungfrau gewesen ist. Nicht Josef, nicht ein anderer, sondern Gott ist der Vater Jesu.

Das mag wirklich nach Mythologie, Märchen oder historischer Verklärung klingen; aber die Evangelisten sind in jeder anderen Hinsicht zu nüchtern und realitätsbezogen, dass uns als Christen keine andere Erklärungsmöglichkeit bleibt, als dieses Aussage über Maria als historische Tatsachenaussage zu nehmen. So haben es zumindest die Christen aller Zeiten (bis zum 18. Jahrhundert) verstanden.

Allerdings müssen wir bedenken, dass es sich nicht einfach um eine wundergläubige-sensationslüsternde Randnotiz handelt (so ähnlich, wie andere an Ufos oder fliegende Schweine glauben - also einfach nur deshalb, weil so "strange" oder "spuky" ist). Marias Jungfräulichkeit ist von Anfang an (schon bei Markus, s.o.) ein Garant für die Göttlichkeit Jesu - hat also einen inneren Sinn.

Wäre Jesus z.B. erst bei seiner Taufe zum Messias erwählt worden (wie manche Theologen behaupten), so wäre eine Jungfrauengeburt überflüssig und würde dieses Erwählung nur verdunkeln. Wäre Jesus nur ein Prophet oder ein Lehrer der Weisheit und der Selbsterkenntnis, würde der Glaube an seine Vaterlosigkeit seine Akzeptanz bei seinen Hörern nur beeinträchtigen (so etwas nennt man heute "absatzschädigende Legenden"). Nein, es bleibt dabei: Wenn Jesus bereits von Ewigkeiten an der Sohn Gottes gewesen ist und aus der Herrlichkeit Gottes heraus Mensch geworden ist, dann ist die vaterlose Geburt durch eine Jungfrau das deutlichste und angemessenste Zeichen dafür.
V.P.P. - Das "Brüder-Jesu-Problem"

Nun glauben einige, mit der Geburt hätte Maria ihre Aufgabe erfüllt. Warum nicht noch mehr Kinder bekommen? Das ändert ja nichts mehr an der Zeichenhaftigkeit der Jungfrauengeburt. Jesus ist Gottes Sohn - egal, ob es nachher noch andere Kinder gegeben hat.

Nun - tatsächlich würde es unseren Glauben an Jesus Christus als Gottes Sohn nicht erschüttern, hätte Jesus noch jüngere Geschwister gehabt. Der Eifer, mit der manche Kritiker der Jungfrauengeburt auf die Existenz solcher Brüder Jesu beharren, verwundert deshalb.

Wenn die Kirche auch an der v.p.p., also an der Jungfräulichkeit Mariens auch nach der Geburt Jesu festhält, so vor allem deshalb, weil wir Katholiken in der Gottesmutterschaft keine Funktion, sondern eine Person sehen. "Der personale Charakter der Heilsgeschichte" nennt das die Theologie - und das aufzugeben wäre einfach unmenschlich.

Denn die Kirche glaubt nicht, dass Maria nur eine "Aufgabe" zu erfüllen hatte, die auch jeder anderen Person hätte zufallen können. Es war vielmehr Glaube der Kirche von Anfang an, dass Maria in ihrem Personenkern von der Gottesmutterschaft bestimmt und geprägt wurde.
Das heißt nichts anderes, als dass Maria nicht austauschbar ist, das Gott nicht Aufgabe verteilt wie zu Beginn einer Schicht in der Fabrik. Sondern dass Gott uns erschafft und so formt, dass wir in einer Aufgabe auch unsere tiefste personale Erfüllung finden.

Zur Diskussion steht mit der "Jungfräulichkeit auch nach der Geburt" (oder, in der Sprache der Jahrhunderte: Der immerwährenden Jungfräulichkeit) also nicht die Gottheit Christi, sondern die Achtung, die Gott uns als Personen entgegenbringt. Wir sind keine Marionetten, sondern Ebenbilder Gottes.

Das Brüder-Jesu-Problem

Allerdings steht der Glaube an die immerwährende Jungfräulichkeit Mariens im Gegensatz zur Erwähnung der "Brüder und Schwestern Jesu" (z.B. in Mt 12,46; 13,55f; Mk 3,31M 6,3M Lk 8,19; Joh 2,12; 7,3.5; Apg 1,14; 1 Kor 9,5; Gal 1,19).

Dabei sollte berücksichtigt werden, dass das hebräische keinen Ausdruck für Vetter, Cousinen und dergleichen kennt. Unter "Brüder und Schwestern" sind deshalb (neben den leiblichen Geschwistern) auch Halbbrüder (Halbschwestern), Stiefbrüder (Stiefschwestern) und Cousins und Cousinen gemeint. Der Einwand, die Griechen hätten aber ein eigenes Wort für Vetter und deshalb müsste überall, wo die griechische Übersetzung beim Wort adelphos (Bruder) bleibt, dieses im leiblichen Sinne verstanden werden, ist leicht widerlegt: Im Griechischen wird auch dort eine Verwandtschaft mit dem Wort für "Bruder" bezeichnet, wo der Zusammenhang eindeutig nur Vetter (oder sogar auch Onkel oder ähnliches) zulässt.

Beispiele: Abraham nennt Lot, den Sohn seines Bruders, "Bruder" (adelphos): Gen 13,8; 14,14.16; desweiteren werden Abraham und sein Neffe Betuel Brüder genannt: gen 24,15 und 24,47f. Außerdem: Gen 29, 12.15; 31.23; 31,32.37; Lev 10,4; Jos 17,4; 2 Kön 10,13; 1 Chr 23,2ff; Ri 9,3; 1 Sam 20,29 - und noch viele andere Stellen.

In der Bibel umfasst "Bruder" eine breitere Verwandtschaft. Noch entscheidender ist allerdings der Zusammenhang von Mk 6,3 ("Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria und der Bruder von Jakobus, Joses, Judas und Simon? Leben nicht seine Schwestern hier unter uns?") mit Mk 15,40 und 47 ("Auch einige Frauen sahen von weitem zu, darunter Maria aus Magdala, Maria, die Mutter von Jakobus dem Kleinen und Joses, sowie Salome" - "Maria aus Magdala aber und Maria, die Mutter des Joses, beobachteten, wohin der Leichnam gelegt wurde.") Demnach sind die zuerst genannten Brüder Jesu Söhne einer anderen Maria.

Über die Frage, ob Maria noch weitere Kinder gehabt habe (oder ob zum Beispiel Josef noch Kinder aus einer ersten Ehe mitgebracht hatte) ist ungewöhnlich viel geschrieben worden. Ein wenig überrascht das schon, wenn man bedenkt, dass es sich bei der v.p.p., der bleibenden Kinderlosigkeit Mariens ja eigentlich um ein alltägliches Phänomen handelt. (Keiner würde der Nachbarsfamilie, deren Sohn keine jüngeren Geschwister hat, ein wunderbares Geschehen unterstellen...!)

V.I.P. - Eine wunderbare Geburt?

Zuletzt sei noch ein Blick auf den Glauben an die Jungfräulichkeit Mariens auch während der Geburt geworfen.

Das apokryphe (d.h. abgelehnte) Jakobus-Evangelium geht dieser Frage auf eine ungewöhnlich drastische Weise nach behauptet, dass Maria auch im streng körperlichen Sinne Jungfrau geblieben sei (wir sprechen von der "biologistischen" Deutung). Nun - das Jakobus-Evangelium gehört nicht zur Offenbarung und wurde von den frühen christlichen Gemeinden auch aus diesem Grunde abgelehnt. Damit steht aber auch fest, dass eine streng-biologische Auslegung der Jungfrauenschaft nicht zu unserem Glauben gehört.
Einer jungen Frau, der aus irgendeinem Grund das Hymen (das Jungfernhäutchen) reißt, verliert ja nicht ihre Jungfräulichkeit! So betont z.B. auch Origines, dass die Jungfräulichkeit einer Frau nicht durch die Geburt aufgehoben wird, sondern nur durch den Beischlaf.

Eine primitive Auslegung der Jungfräulichkeit in einem rein körperlichen, also biologistischen Sinne wurde von der Kirche immer abgelehnt. Ganz im Gegenteil: Um die wirkliche menschliche Natur Jesu zu sichern (gegen die Gnostiker, die in Jesus eine rein göttliche Lichtgestalt sahen), wurde immer wieder betont, dass auch Maria in vollem und umfassenden Sinne Mutter gewesen ist.

Dennoch blieb auch die immerwährende Jungfräulichkeit Mariens über die Jahrhunderte weg (auch noch während der Reformation und danach!) allgemeine Glaubensbestandteil. Und das aus einem sehr biblischen und noblen Grund: Maria ist die neue Eva.

Während Eva nach biblischem Verständnis als Folge der Sünde "unter Schmerzen gebären" musste, wird diese Sündenfolge für die Geburt des Erlösers und dessen Mutter aufgehoben (Maria war ja ohne Sünde). Wie genau? Tja, da legt sich die Kirche nicht wirklich fest (was nicht bedeutet, dass sie ratlos ist - sondern vielmehr, dass sie auch mal etwas offen lassen kann!). Sie hält nur fest, dass die Geburt Jesu auf der einen Seite ein wunderbares Geschehen ist (wie auch schon die Empfängnis Jesu), aber gleichzeitig Maria im vollen Sinne die menschliche Mutter Jesu war - mit allem, was eine Mutterschaft mit sich bringt.

Jungfräulichkeitsgelübde

Mit einem letzten, leider seit ungefähr 100 Jahren verschollenen Gedanken wollen wir von der Jungfräulichkeit Mariens zum nächsten Dogma überleiten. Die Frage stellt sich nämlich, ob Maria erst bei der Botschaft des Engels den Entschluss fasste, die Ehe mit Josef nicht zu vollziehen - also Jungfrau zu bleiben. Oder hat sie nicht vielleicht schon lange davor ein Jungfräulichkeitsgelübde abgelegt?

Ein solches Gelübde wird schon im Jakobus-Evangelium erwähnt - allerdings legt hier nicht Maria selbst dieses Gelübde ab, sondern die Mutter Marias. Mutter Anna gelobt, ihr Kind Gott zu weihen und bringt Maria als Dreijährige in den Tempel. Als Zwölfjährige wird sie dann dem Witwer Josef anvertraut.
Bedenken wir allerdings, dass das Jakobus-Evangelium niemals anerkannt wurde, so überrascht es nicht, dass dieser Bericht kaum einen Einfluss auf die Theologie ausgeübt hat - allerdings sehr wohl auf die Kritiker der Kirche und selbsternannten Entdeckern von Verschwörungstheorien.

Der Ursprung dieser Idee, Maria hätte von sich aus gar keine Kinder haben wollen, liegt nicht im Jakobus-Evangelium, sondern bei Lukas (Lk 1,34): "Maria sagte zu dem Engel: Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?"

Mit "erkennen" ist im Hebräischen "lieben" im umfassenden Sinne gemeint - also auch den Geschlechtsverkehr einschließend.

Marias Frage hätte demnach keinen Sinn, wenn sie mit Josef Kinder haben wollte (Maria hätte dann allenfalls geantwortet: "Wie? Jetzt schon?"). Augustinus meint dazu: "Das würde Maria auf alle Fälle nicht sagen, wenn sie sich nicht vorher schon mit Gott verlobt hätte". Augustinus erklärt die Frage damit, dass Maria eine Mutterschaft, die den Beischlaf mit einem Mann voraussetzt, mit ihrem Gelübde nicht vereinbaren konnte. Auch M. Dibelius schreibt: "Eine Braut kann so nicht sprechen, kann zumindest nicht darüber erstaunt sein, dass ihr vom Engel ein Sohn verheißen wird."

Für die ganze Zeit, auch über die Reformation hinweg, war das Jungfräulichkeitsgelübde Marias eine anerkannte und geglaubte Sache. Auch Thomas von Aquin, der maßgeblichste Theologe der katholischen Kirche, bejaht das Gelübde. Erst im 20. Jahrhundert schwindet der Glaube daran.

Wir wollen hier nicht diskutieren, ob es für die Annahme eines solchen Gelübdes Beweise gibt. Im Grunde mag jeder selbst die Belege prüfen und zu einem eigenen Urteil kommen - das Lehramt der Kirche schweigt hierzu.

Der Gedanke liegt deshalb nahe, dass Maria nicht nur deshalb Jungfrau blieb, weil der Engel dem Vollzug der Ehe mit Josef zuvorkommt. Denn das bedeutet, dass Maria vom Engel zu etwas bewogen worden ist, das sie vorher nicht gewollt hat; das nicht in ihrem Wesen lag und was sie nicht mit ihrer ganzen Person von Anfang an bejahte. So etwas tut Gott nicht.
Der Gedanke an ein Jungfräulichkeitsgelübde ist somit schön und angemessen: Maria war von Anfang an die Braut des Heiligen Geistes, verliebt und geweiht ihrem Gott. Diese innere Ausrichtung auf den Allerhöchsten hat der Engel Gottes aufgegriffen - um somit Marias innersten Wunsch zu erfüllen.

Die abschließende Antwort Mariens an den Engel: "Mir geschehe, wie Du gesagt" ist im Deutschen nicht leicht zu übersetzen. Denn im Griechischen steht hier der Optativ - eine Form, die es im Deutschen nicht gibt. Am nächsten kommen wir dem Sinn der Antwort, wenn wir übersetzen: "Ach, wenn an mir doch Dein Wille geschehen würde!" - Der Engel hat Maria tiefstes Sehnen erfüllt - und nicht etwa ihre Pläne durchkreuzt.

2. Unbefleckt empfangen (1854)

Ein Missverständnis vorweg: Mit diesem Dogma ist nicht der Augenblick beschrieben, in dem Maria vom Heiligen Geist Jesus Christus empfing. Selbst theologisch Gebildete verwechseln das oft und setzen die Jungfräulichkeit Mariens mit der Unbefleckten Empfängnis gleich. Das klingt ja so, als wäre die Tatsache, dass erst durch den Geschlechtsverkehr zwischen Mann und Frau ein Kind entsteht, eine "Befleckung"! Wer so etwas behauptet, ist ganz sicher nicht katholisch. (Leider wird genau dieser Irrtum als Meinung der Kirche dargestellt, um sie anschließend als leibfeindlich zu bezeichnen...)

Zuletzt ist diese Verwechslung sogar auf einem großen Kinoplakat verewigt worden - beim Kinostart von "Star Wars - Episode I". Anakin Skywalker wurde von seiner Mutter geboren, ohne dass diese mit einem Mann geschlafen hatte. Auf dem Kinoplakat hieß es damals: "Anakin Skywalker - Geboren durch unbefleckte Empfängnis".
So leibfeindlich hätte ich die Werbestrategen gar nicht eingeschätzt. Gehen wir einmal davon aus, dass an diesem Film keine Theologen mitgewirkt haben.

Selbstverständlich "befleckt" der Geschlechtsverkehr nicht die Mutter (und auch nicht den Vater). Als 1854 das Dogma der "Immaculata Conceptio" verkündet wurde, war damit also nicht die Jungfrauengeburt Jesu gemeint, sondern der Zeitpunkt, als die Eltern Marias (Joachim und Anna) ihre Tochter zeugten.

Bei der Zeugung Marias handelt sich umgekehrt NICHT um eine Jungfrauengeburt (auch dieser Gedanke spukt in manchen Köpfen herum - offensichtlich sitzt der Gedanke, dass Jungfrauen irgendwie weniger befleckt sind, so tief in den Köpfen der Menschen, dass die katholische Kirche wie gegen Windmühlen kämpft). Aber der Volkstradition nach ist die Empfängnis Mariens zumindest wunderbar: Angeblich haben Joachim und Anna Maria erst in hohem Alter empfangen, nachdem sie lange Jahre kinderlos waren. Aber diese Legende ist nirgendwo in der Bibel belegt; sie darf zwar gerne geglaubt werden, aber sollte nicht mit den biblischen Aussagen vermischt werden.

Beim Dogma der unbefleckten Empfängnis handelt es sich um die Glaubensüberzeugung, dass Maria vom allersten Zeitpunkt ihres Daseins an vor jeder Sünde - ja, sogar vor der Erbsünde selbst - bewahrt geblieben ist.

Die Geschichte des Dogmas

Das zweite große Mariendogma hat eine ganz besondere Geschichte, in der sich auch etwas Grundsätzliches über die Entstehung von Dogmen erkennen lässt. Dass heute viele Kritiker der "Unbefleckten Empfängnis" (vor allem aus den protestantischen Kirchen) behaupten, Maria käme damit zuviel Ehre zu, war lange Zeit anerkannter Grundsatz der katholischen Theologie.

Das Problem war, dass es in vielen Bereichen der Kirche (schon ab dem 4. Jahrhundert nachweisbar) eine feste Überzeugung gab, dass Maria im größtmöglichsten Sinne "heilig" ist. "Panhagia" - die Ganz-Heilige - nannte man sie in der Ostkirche. Maria, so waren sich die Beter, Bischöfe und Theologen einig, ist die größte unter allen Menschen in der Ordnung Gottes.
Die größtmögliche Heiligkeit - das maximal Denkbare für ein Geschöpf - ist die persönliche Freiheit von Sünden. Aber gerade das wurde theologische häufig in Frage gestellt. Denn: "Wäre Maria ohne Erbsünde empfangen - oder zumindest ohne persönliche Sünden geblieben -, so hätte sie die Erlösung Jesu nicht nötig gehabt". Damit war klar: Die Obergrenze der Heiligkeit Mariens war mit der Freiheit von der Erbsünde überschritten. Maria ist auch erlöst!

Um Maria nicht aus der Schar der Erlösten herauszunehmen, nahmen viel Theologen lediglich eine Sündenfreiheit Mariens an, die zudem erst mit der Empfängnis Jesu einsetzte. Maria, so glaubte man, wurde erst durch die Menschwerdung Jesu in ihrem Schoße geheiligt.
Somit wäre Maria nicht vor der Erbsünde bewahrt geblieben (das hielt man für unmöglich), sondern als sündiger Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt geheiligt.
Ähnliches glaubte man auch von Johannes dem Täufer (der im Mutterleib der Elisabeth geheiligt wurde, als Maria bei ihr zu Besuch war).

Somit war das Fest der Empfängnis Mariens, das schon seit dem 6. Jahrhundert im Osten gefeiert wurde (seit dem 7. Jahrhundert auch in Rom), kein Fest der Unbefleckten Empfängnis. Vielmehr wurde die wunderbare Empfängnis gefeiert, also das Wunder, dass Anna noch im hohem Alter schwanger wurde.

Der Auffassung, dass Maria zwar das Höchstmaß der Heiligkeit zukommt, die unbefleckte Empfängnis aber Maria aus der Schar der Erlösten herauslösen wurde, blieb die katholische Kirche - nachweislich durchgehend - bis zum Auftreten eines der größten Theologen der katholischen Kirche treu: Johannes Duns Scotus (den leider kaum einer kennt).
Sein großes Verdienst war nicht, einen neuen Glaubenssatz zu erfinden, sondern die Vereinbarkeit von Unbefleckter Empfängnis und Erlösung Marias aufzuzeigen. Um den nicht ganz einfachen Gedankengang des klugen Duns Scotus knapp wiederzugeben: "Maria hätte unter der Erbsünde gestanden, wenn sie nicht davor aufgrund des Todes Christi bewahrt worden wäre." Damit war die Allgemeinheit der Erlösungstat Christi mit der Erbsündenfreiheit versöhnt.

Damit wurde keine neue Glaubenswahrheit eingeführt. Man blieb dabei, Maria die größtmögliche Heiligkeit zuzusprechen. Nur war das, was man für denkbar hielt, nun mehr als noch vor Duns Scotus: Die Obergrenze wurde nach oben verschoben. Die Grundaussage blieb jedoch die gleiche: Gott hat der Mutter Jesu die größte Gnade zukommen lassen, die denkbar ist.

Der eigentlich Grund für dieses Dogma ist weder biblisch noch theologisch, sondern eine durchgehende Überzeugung der gesamten Kirche, dass Maria die Voll-Erlöste, die Ganz-Heilige, die Ganz-Gehorsame war. Deshalb ist die Erklärung des Johannes Duns Scotus keine Begründung für dieses Dogma, sondern nur eine Ausräumung von Hindernissen.

Das gleich gilt für Eadmer, der einen anderen Gedankengang zur "Begründung der Unbefleckten Empfängnis" anführte: Decuit, potuit, voluit, ergo fecit. Mit anderen (deutschen) Worten: Weil es der Heiligkeit Mariens angemessen (decuit) ist, weil Gott sie bewahren konnte (potuit) - und auch wollte (voluit), deshalb hat er es auch getan (fecit). In manchen kritisch-evangelikalen Schriften wird das als die eigentliche Begründung des Dogmas lächerlich gemacht. In Wirklichkeit versuchte Eadmer auf gleiche Weise wie Scotus eine nachträgliche Begründung für das, was die Kirche bereits glaubte. Allerdings stellte er sich dabei nicht ganz so intelligent an wie Scotus.

Diese Begründung (decuit, potuit, voluit - ergo fecit) gehört nicht zu den offiziellen kirchlichen Herleitungen einer Glaubenswahrheit.

3. Leiblich aufgenommen (1950)

In der (übrigens empfehlenswerten) Dogmatik von Scheffczyk und Ziegenaus wird das Kapitel über die Unbefleckte Empfängnis mit "Die Erst-Erlöste" überschrieben, das Kapitel über die Aufnahme Mariens in den Himmel mit "Die Voll-Erlöste". Damit stellen die beiden Professoren Ziegenaus und Scheffczyk beide Dogmen in einen schönen Zusammenhang: Aus dem Gedanken der "panhagia", der "Ganz-Heiligen" entspringt nicht nur die Freiheit von Sünde und Erbsünde, sondern auch die Vorwegnahme der Voll-Erlösung, auf die wir Christen alle noch hoffen.

Ein großes Hindernis zum Verständnis der "leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel" ist die große Unwissenheit über unsere eigene Zukunft nach unserem Tod. Was nämlich zunächst wie ein fremdartiger, überzogener Gedanke klingt (nämlich, das Maria sogar mit ihrem Leib in die ewige Herrlichkeit gelangt sein soll), ist in Wirklichkeit kein absolutes Privileg: Wir alle, ja sogar alle Menschen unabhängig von ihrer Heiligkeit und Religion, werden am Ende der Zeiten mit Seele und Leib in die Ewigkeit eingehen. (Lies dazu einfach in der Katechese "Leben nach dem Tod"!)

Das Privileg Mariens reduziert sich also nur auf die Tatsache, dass Maria bereits jetzt schon an der Auferstehung der Toten teilhat.

Ist Maria gestorben?

Der offizielle Text der Definitionsbulle Munificentissimus Deus vom 1. November 1950 lautet: "Die unbefleckte, immerwährend jungfräuliche Gottesmutter Maria ist, nachdem sie ihren irdischen Lauf vollendet hatte, mit Leib und Seele zur himmlischen Herrlichkeit aufgenommen worden." Die Formulierung "nachdem sie ihren irdischen Lauf vollendet hatte" wurde bewusst gewählt: Die Frage, ob Maria gestorben war (und die Aufnahme in den Himmel eine Vorwegnahme der allgemeinen Auferstehung ist), oder ob sie verwandelt - manche sagen auch entrückt - wurde, sollte bewusst offen gelassen werden.

Auch hier zeigt sich die vorsichtige Vorgehensweise des unfehlbaren Papstes: Weil er weiß, dass er unfehlbar ist, ist er sehr, sehr vorsichtig in seinen Definitionen geworden. Das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes hat dazu geführt, dass der Papst sehr gut aufpasst, nicht aus Versehen zu viel zu definieren. Das wäre nicht katholisch.

Deshalb wundert es auch nicht, dass einige Theologen (darunter O. Karrer, D. Flanagan und K. Rahner) das Dogma der Aufnahme Mariens so verstanden, dass damit im Grunde nichts über Maria, sondern über eine größere Anzahl von "Heiligen" (vielleicht sogar alle Heiligen? Alle Menschen?) gesagt werden sollte. Demnach wäre Maria nicht die einzige Assumpta, nicht die Einzige bereits im Himmel Aufgenommene (Rahner meint allerdings, dass Maria die einzige ist, die wir namentlich kennen). Diese Ansicht konnte allerdings nur entstehen, weil wiederum eine verzerrte Theologie über das, was nach dem Tod mit allen Menschen geschieht (nämlich die "Auferstehung im Tode"), Verbreitung gefunden hat (siehe dazu die Katechese "Unchristliche Konzepte des Lebens nach dem Tod").
Biblische Begründung

Keine Frage: Für die Aufnahme Mariens gibt es keinerlei biblischen Befunde. Sogar für die Gesamtheit der ersten 5 Jahrhunderte finden sich keine Belege für dieses Dogma. Noch Epiphanius von Salamis (gestorben 403) stellt fest: "Ihren Ausgang (=das Ende Mariens) kennt niemand." Der erste Beleg für diesen Glauben an das Privileg Mariens findet sich bei Gregor von Tours (gestorben 594), der erzählt, dass zunächst Maria gestorben wäre, und - nachdem ihr Leib von den Aposteln bestattet wurde und sie dort Wache hielten - danach sei ihre Seele mit ihrem Leib von Jesus wiedervereint worden und ins Paradies geführt.

Im Laufe der Jahrhunderte setzte sich dieser Glaube jedoch mehr und mehr durch, so dass die Universität 1497 eine gegenteilige Auffassung ablehnte. "Zu sagen, die Selige Jungfrau sei nicht zugleich mit dem Leib in den Himmel aufgenommen, ist zwar in keiner Weise gegen den Glauben, aber weil es der allgemeinen Übereinstimmung der Kirche widerspricht, würde es frech und verwegen sein."

Auf dem I. Vatikanischem Konzil (1870) wurde dann der Antrag gestellt, diese Glaubensüberzeugung zu einem Dogma zu erheben, was der damalige Papst jedoch ablehnte.

Erst Pius XII. verkündet 1950 dieses letzte marianische Dogma - und begründet diesen Schritt in seinem beigefügtem Schreiben (einer "Apostolischen Konstitution").

Das Privileg Mariens

Aus der Verknüpfung von Eschatologie (der Lehre über die Ereignisse nach dem Tod des Menschen) ergaben sich - wie oben gesagt - auch verquere Ansichten über den Tod Mariens. Die Wahrheiten des christlichen Glaubens sind nun einmal so sehr miteinander verwoben, dass eine falsche Auffassung im Glauben das ganze Gefüge in eine Schieflage bringen kann.
Umgekehrt wird aus dieser Verwobenheit die Begründung für das Dogma der "leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel": In der katholischen Theologie wird der Zwischenzustand der leiblosen Existenz der Seele vor der allgemeinen Auferstehung angenommen (wiederum: siehe die Katechese zu "Leben nach dem Tod"). Dieser leiblose Zustand der Seele ist aber - im Gegensatz zur griechischen Philosophie des Platon und späteren Theologen, die sich darauf berufen) kein erstrebenswerter Zustand, sondern ein Zustand der Unvollkommenheit und Unerlöstheit. Der Tod als Folge der Sünde meint die Seele, die vom Leib getrennt existieren muss.

Nun ist es ein klarer und logischer Schritt von der Sündlosigkeit Mariens - und dem Tod als Sündenfolge - zur Erkenntnis, dass Maria von diesem Zwischenzustand verschont blieb. Für Maria, die ja ohne Sünde geblieben ist, wäre es nicht angemessen anzunehmen, dass sie dennoch die Folge der Sünde tragen musste. Folglich ist sie am Ende ihres Lebens - ohne die Qualen des Todes zu erleiden - in die Herrlichkeit aufgenommen worden.

Daraus erschließen sich auch die beiden Antworten auf die Frage, ob Maria vor ihrer Aufnahme in den Himmel gestorben ist: Wenn der Tod Folge der Sünde ist, dann brauchte Maria nicht zu sterben - sie wurde folglich verwandelt oder entrückt.
Genauso sinnvoll und schön ist es jedoch, Maria als so sehr mit ihrem Sohn verbunden zu sehen, dass sie - in der Nachfolge Jesu - ihrem Sohn auch im Lebensende ähnlich geworden ist - und zunächst starb, um dann (nach angenommenen drei Tagen) mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen zu werden.

Wie auch immer: Das Grab Mariens (es wird sowohl in Ephesus als auch in Jerusalem im Kidrontal vermutet) ist leer.

Der Leib als causa salutis

Ein sehr schöner Gedanke, der in der Theologie gelegentlich Platz findet, aber (leider) nicht zum definiertem Glauben der Kirche zählt, ist die Theologie des Leibes Mariens. Ihr Leib wird gelegentlich als causa salutis bezeichnet: als (sekundäre!) Ursache oder Grund für unser Heil. "Das Fleisch Christi ist das Fleisch Mariens" (Pseudo-Augstinus); "Maria ist auch dem Leib nach aufgenommen worden, denn es ist der allerheiligste Leib, aus dem Christus Fleisch angenommen hat".
Eine solche Leib-bejahende Theologie kommt natürlich bei den pur-geistigen Evangelikalen und Gnostikern nicht gut an; eine Glaubenswahrheit aus einer leiblichen Verwandtschaft abzuleiten ist eben typisch katholisch. "Katholisch" heißt in diesem Fall allumfassend auch im ganz konkreten Sinn: Sowohl Geist als auch Leib umfassend!

4. Miterlöserin - ?

Keine Sorge - dieser Glaubenssatz gehört (noch?) nicht zu den definierten Dogmen. Dennoch gibt es nicht wenige Stimmen in der Kirche, die eine Definition der "Miterlöserschaft Mariens" verlangen. Wie sieht es damit aus?

Objektive und subjektive Erlösung

Zunächst ist festzustellen, dass Maria selbstverständlich an der Erlösung mitgewirkt hat. Die Menschwerdung Jesu ist ja nicht nur eine Voraussetzung für das Kreuzesopfer Jesu, sondern bereits der Beginn der Erlösung. Insofern kann einer Mitwirkung Mariens an der Erlösung (also einer Miterlösung durch Maria) gar nicht geleugnet werden.

Dabei ist eine Mitwirkung grundsätzlich eine Selbstverständlichkeit: Ein jeder Mensch wirkt an der Erlösung mit - zumindest an der Annahme der Erlösung durch die Menschen (also an der subjektiven Seite der Erlösung). Jeder Vater, jede Mutter - jeder Kirchenbesucher und Kirchenkritiker - jeder, der ein Kreuz trägt oder gegen Gott wettert: Alles das kann Menschen zum Glauben führen und zur Annahme der Erlösung; und von allen kann in einem weiteren Sinne als den Mitwirkenden an der Erlösungs(-annahme) gesprochen werden.
Von Maria muss natürlich diese Mitwirkung in einem ganz anderen Grade gesprochen werden - immerhin wirkt sie auf der Seite des Erlösers (der objektiven Seite der Erlösung), während wir nur auf der Seite der Erlösungs-Annahme wirken. So sagt selbst Paulus von sich: "Jetzt freue ich mich in den Leiden, die ich für euch ertrage. Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt." (Kol 1,24). Er wirkt also auch an der Erlösung mit - aber eben für den Leib - nicht am Haupt.

Das darf natürlich nicht so verstanden werden, wie einige Kritiker diesen Glauben überzeichnet darstellen: Dass jede Gnade, die von Jesus ausgeht, durch eine mütterliche, marianische Zensur muss - und umgekehrt, jede Bitte an Jesus zunächst an Maria adressiert werden sollte ("An: Jesu, Sohn Gottes, zu Händen Maria von Nazareth"). Maria ist auf keinen Fall eine Barriere zwischen Menschen und Christus - und sie ist auch nicht die einzige Brücke dorthin. Sie ist nicht die "einzige Mittlerin zum einzigen Mittler." "Es gibt nur einen Mittler zwischen Gott und Menschen: Den Menschen Jesus Christus." (1 Tim 2,5)

So haben einige Theologen zwischen dem Leib der Kirche (die erlösten Menschen) und dem Haupt (Jesus Christus) Maria als "Hals" einführen wollen. Das ist nicht statthaft - besser ist es, Maria als Herz des Leibes zu sehen, dass im Leib (!) für eine lebendige Verbindung (Kreislauf) mit dem Haupt steht. Aber auch dieses Bild ist mit Vorsicht zu gebrauchen - aber solange das Herz als dem Haupt untergeordnet gesehen wird, ist es wohl statthaft.
Zwei Extreme Positionen

Zwei Extreme sollten daher vermieden werden: Zum einen Maria mit Jesus gleichzustellen und die beiden als Team zu verstehen. Maria ist und bleibt die Erlöste - und Jesus ist und bleibt der Erlöser.

In der Gnosis wird Jesus und Maria manchmal als Gegenpaar zu Adam und Eva gesehen. Während die einen im Paradies sündigten, stellen die beiden anderen das Paradies wieder her. Aber das ist nicht nur unkatholisch, sondern auch unchristlich: Es gibt kein Erlöserpaar!

Auf der anderen Seite sollte aber auch die Mitwirkung des Geschöpfes an der Erlösung nicht gänzlich ausgeschlossen werden. "Gott, der dich ohne deine Zustimmung erschaffen hat, will dich nicht erlösen ohne deine Zustimmung" (Augustinus). Immerhin führt eine absolute Ausschließung der Mitwirkung irgendeiner Geschöpflichkeit an der Erlösung zur Leugnung der Menschwerdung Jesu. Hat diese Welt keinen Anteil an der aktiven Erlösung, dann ist Jesus auch nicht wirklich Mensch geworden.

Eine Lösung... ?

Wenn der Grundsatz gilt, dass jedes Mariendogma seine Berechtigung und seinen Sinn darin findet, die wahre Menschwerdung Jesu Christi und seine Erlösungstat zu bewahren und zu erleuchten, dann gehört auch eine wohlverstandene "Miterlöserschaft Mariens" dazu. Was aber heißt nun "wohlverstanden"?

Maria wirkt auf jeden Fall auf der subjektiven Seite der Erlösung mit - also auf der Annahme der Erlösung durch den Menschen. Um dies von der objektiven Seite zu unterscheiden, spricht man allerdings besser von der "Mitwirkung".
Oder - ein noch sinnvollerer und für Katholiken alltäglicher Begriff ist: "Fürsprecherin". Maria nimmt sich der Bitten der Menschen an und beteiligt sich an diesem Bitten (das hat Maria ja bereits zu Lebzeiten getan (Joh 2,3) - warum sollte sie damit aufhören?). Sie bleibt aber auf der Seite der Erlösten, auf der Seite der Kirche und der Menschen. Sie wird nicht zur Erlösungs-Co-Workerin.

Aber Maria hat auch einen Platz an der Seite des Erlösers - nicht nur bei der Menschwerdung, sondern auch unter dem Kreuz. Sei leidet mit - und, weil wir ein Leid an der Seite Jesu niemals für vergebliches Leid halten - erlöst sie auch mit. Gehört sie also doch auf die Seite des Erlösers (der objektiven Seite der Erlösung)?
Ja - aber wiederum nur in der Rolle der Erlösungsannahme: Maria steht unter dem Kreuz als Stellvertreterin und Mutter der Kirche. Darin hat sie sich aber zur Aufopferung ihres Sohnes und zum Mitleiden bewegen lassen - und hat so auch auf eine (auf jeden Fall aber untergeordnete) Weise Anteil an der objektiven Erlösung. Dabei wirkt Maria - so wie jede andere Person - an der Erlösung nur mit, weil sie durch die Gnade Gottes dazu befähigt wurde.

Die Kirche betrachtet diese Frage noch nicht als abschließend geklärt - bis dahin wird in allen offiziellen Texten der Titel "Miterlöserin" für Maria vermieden. Kluge Kirche.

III. Maria im Leben der Kirche

Eine lange Katechese, fürwahr. Damit sie nicht noch länger wird, möchte ich hier gerne schließen. Allerdings fehlt eigentlich noch ein Dritter, mindestens genauso ausführlicher Teil: Maria im Leben der Kirche. Und genau genommen, ist das der viel wichtigere Teil dessen, was Maria für uns bedeutet. Aber, so hoffe ich, wenn Du Maria als das annimmst, was die Theologie von ihr behauptet, dann wird von alleine eine Beziehung zu ihr entstehen, die nocheinmal alle Theologie übertrifft.

Aber vielleicht hilft Dir bei Deiner Beziehung zu Maria das, was die Kirche Dir als Ausdrucksformen anbietet:

Die Anbetung Mariens

Immer wieder hört man - oft aus katholisch-kritischen Quellen (z.B. hier - siehe Punkt 8) - dass wir Katholiken Maria anbeten. Als Begründung dafür werden entweder klassische Mariengebete angeführt (z.B. das "Gegrüßet seist Du Maria") - oder es wird ein Bild vom Papst gezeigt, wie er vor einer Marienfigur kniet. Zugegeben: Wenn jemand, der den katholischen Glauben nicht kennt, Menschen vor einem Marienbild knien sehen oder mitbekommen, wie fromme Beter vor einem Marienbild Kerzen anzünden, kann leicht der Eindruck der Anbetung Mariens entstehen.

Die katholische Kirche unterschiedet zwischen ANBETUNG und GEBET. Ein Gebet zu den Verstorbenen, den Heiligen oder Seligen ist in Ordnung, ja, es ist sogar katholischerseits erwünscht. Dabei dürfen die Verstorbenen auch um ihre Hilfe gebeten werden.
Die ANBETUNG gebührt alleine Gott. Der Unterschied wird im Deutschen nicht so deutlich, in anderen Sprachen unterscheiden sich die Begriffe für die beiden sehr verschiedenen Haltungen nicht nur durch eine kleine Silbe, sondern sind ganz andere Worte: z.B. im Englischen PRAYER - und WORSHIP oder ADORATION. Die Adoration ist allein für Gott reserviert und beinhaltet Hingabe und Verherrlichung Gottes - das auf Maria oder andere Heilige zu übertragen, wäre tatsächlich Blasphemie oder Vielgötterei.

Darf man überhaupt zu den Heiligen beten?

Maria und die anderen Heiligen und Seligen um Hilfe zu bitten, in Krankheit und Nöten - das ist in Ordnung. Genauso, wie wir lebende Menschen darum bitten können, für uns zu beten und uns zu beschützen, können wir auch die Verstorbenen darum bitten, von denen wir glauben, dass sie bereits bei Gott sind. Daran ist nichts Falsches.
Sogar schon im allerersten Glaubensbekenntnis, das auf die Apostel zurückgeht, ist von der Gemeinschaft der Heiligen die Rede. Wir sind also mit den Brüdern und Schwestern im Glauben verbunden - auch dann, wenn sie bereits diese Welt verlassen haben. Und wir dürfen uns auf die Solidarität derjenigen verlassen, die - egal zu welcher Zeit - an Christus geglaubt haben.
Katholiken beten also zu Maria und bitten sie um Hilfe - die vor allem in der Fürsprache bei Jesus besteht. Wenn man es genau versteht, dann bitten wir Maria, uns beim Beten zu Jesus zu helfen.
Das zeigt auch das älteste Mariengebete ("Unter Deinen Schutz und Schirm...", vermutlich aus dem 3. Jahrhundert), das schon die allerersten Christen gebetet haben:

Unter Deinen Schutz und Schirm fliehen wir, heilige Gottesgebärerin.
verschmähe nicht unser Gebet in unseren Nöten,
sondern erlöse uns jederzeit von allen Gefahren.
O, Du glorreiche und gebenedeite Jungfrau,
unsere Frau, unsere Mittlerin, unsere Fürsprecherin,
versöhne uns mit Deinem Sohn,
empfiehl uns Deinem Sohn,
stelle uns vor Deinem Sohn.

Amen.

Wenn also Katholiken deutlich erklären, dass sie nicht Maria anbeten, sondern mit Maria sprechen, dann sollte man das ihnen auch glauben - selbst, wenn sie vor einem Marienbild oder einer Marienfigur knien. Letztlich knien sie gemeinsam mit Maria vor Gott.

Das Entzünden von Kerzen vor Marienbildern

In der katholischen Kirche spielen Kerzen eine große Rolle; sie brennen nicht nur beim Gottesdienst, sondern auch vor Marienbildern, auf den Gräbern der Verstorbenen oder beim Gebet zuhause. Dabei sind die Kerzen ein Teil des Gebetes - wie es hier so schön auf den Kerzendepots in Lourdes heißt:

Die Kerzen sind Zeichen meines Gebetes und gewissermaßen die Verlängerung. Keinesfalls ist aus dem Entzünden von Kerzen auf eine Anbetung zu schließen.

Da man beim Entzünden einer Kerze meistens einen kleinen Betrag für die Kerze bezahlt, spricht man auch vom "Kerzenopfer". Anstatt seine Zeit zu Opfern, opfert der Beter ein wenig Geld. Man sagt ja auch: "Time is cash - time is money" - "Zeit ist Geld". Am schönsten ist es aber, mit der Kerze sowohl etwas zu spenden als auch zu beten. Doppelt hält besser.

Brauche ich Maria, um in den Himmel zu kommen?

Die Frage ist eigentlich ziemlich lieblos gestellt. Es geht ja bei "Eintritt" in den Himmel nicht um "richtigen" oder "falschen" Glauben, sondern um Deine lebendige Beziehung zu Gott und Jesus Christus. Die Frage, die letztlich entscheidet, ist: "Liebe ich Gott so sehr, dass ich eine Ewigkeit mit ihm verbringen möchte?".

Nun, wenn Du die Frage mit "Ja" beantwortest (was Du nur kannst, da Jesus Christus uns durch sein Opfer "liebesfähig" gemacht hat - uns die Gnade geschenkt hat zu lieben), dann stellt sich die Frage, was das für Konsequenzen hat. Wenn Du zum Beispiel sagst: "Ich liebe Gott" - aber den Nächsten nach Strich und Faden betrügst, dann dürfte Deine Liebe ziemlich sicher geheuchelt sein, oder?

Was aber, wenn Du sagst: "Ich liebe Jesus Christus über alles" - und gleichzeitig sagst: "Mit seiner Mutter kann ich aber nichts anfangen!" - ? Ist dann Deine Liebe wirklich echt? Warum liebst Du nicht auch die, die von Jesus vermutlich mehr als alle anderen Menschen geliebt wurde?

Es geht also nicht darum, ob Du Maria "brauchst", um in den "Himmel zu kommen". So denkt nur ein Buchhalter. Es geht darum, ob Du Jesus wirklich in Dein Herz geschlossen hast. Ein Kriterium für die Echtheit Deiner Liebe ist Dein Verhalten zu Maria.

Wozu aber Maria, wenn es doch keine Mittlerin zum Mittler geben kann?

Natürlich hast Du recht - es gibt keinen Mittler zu Gott außer Jesus. Auch Maria kann nicht Jesus ersetzen oder ein notwendiger Mittler zu Jesus sein ("ein Mittler zum Mittler"). Aber, sei doch einmal ehrlich: Wärst Du wirklich zu Jesus gekommen - ohne Deine Eltern oder eine Freundin, ohne den Pastor oder die Gemeinde - ohne überhaupt einen einzigen Menschen? Wir alle sind doch auch Mittler, Vermittler - wir haben durch die Taufe Anteil an der Mittlerschaft Jesu. Wir nennen das "das allgemeine Priestertum". Und was für uns gilt (auch für Dich: Du sollst auch ein Mittler sein!), das gilt doch auch für Maria, oder?

In der Schrift steht aber nichts von einer Verehrung Mariens

In der Schrift steht: (Lukas 1, 48) "Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter." Auch Elisabeth sagt von Maria: "Gepriesen bist Du mehr als alle anderen Frauen, und gepriesen ist die Frucht Deines Leibes." - Dürfen wir Maria nicht selig preisen? Es steht doch selber in der Bibel!

Eine "Marienpreisung" oder eine "Marienverehrung" ist zumindest nicht unbiblisch. Eher scheint mir die Ablehnung der "Preisung Mariens" unbiblisch. Sieh es einmal so: In der Bibel steht nirgendwo "Du darfst Maria nicht selig nennen, sie nicht preisen" - nirgendwo, ich habe die Bibel gelesen. Aber es steht eben: "Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter."

Wenn Du mich also fragst: "Wohlan, wie kriege ich also einen gnädigen Gott?" - dann ist die Antwort einfach: 1. Liebe Jesus Christus mit ganzem Herzen und ganzer Kraft; 2. sei ein Zeuge dieser Liebe - ein Mittler oder eine Mittlerin; und 3. halte Dich an das, was die Bibel sagt. - Alle drei Punkte sprechen unbedingt für eine lebendige, preisende Beziehung zur Mutter Jesu. Oder nicht?

Die Marienfeste

Im Leben der Kirche gibt es zahlreiche Fest, die auf Maria verweisen oder einladen, sich gemeinsam mit ihr zu freuen. Da Maria aber immer im engsten Zusammenhang mit ihrem Sohn gedacht wird, haben diese Feste auch immer einen "Jesus-Gedanken".

Die biblischen Feste

Das "Fest der Gottesmutter Maria" am 1. Januar ist ursprünglich das Fest der "Beschneidung des Herrn" gewesen - Acht Tage nach der Geburt. (Lk 2, 21)

Das Fest "Maria Lichtmess" heißt heute wieder "Darstellung des Herrn". 40 Tage nach der Geburt Jesu also am 2. Februar - waren Maria und Josef mit ihrem Sohn wieder im Tempel, um Jesus Gott zu weihen - wie es sich für den erstgeborenen Sohn gehört (Lk 2, 22). Gefeiert wird dieses Fest schon seit ca. 400 n. Chr., seit dieser Zeit sind auch schon Lichterprozessionen in Jerusalem bezeugt - wohl in Anspielung auf LK 2, 32.

Am 25. März, also neun Monate vor dem Fest der Geburt Jesu (Weihnachten), feiert die Kirche das "Fest der Verkündigung des Herrn" - also die Szene, in der der Engel Maria die Geburt Jesu ankündigt und Maria vom Heiligen Geist schwanger wird (Lk 1, 26-38). Gefeiert wird dieses Fest schon seit 550 n. Chr.

Am 2. Juli wird die "Heimsuchung Mariens" gefeiert - der Besuch, den Maria bei Elisabeth abgestattet hat (Lk 1, 26). Dieses Fest gibt es erst seit 1263, gefeiert ursprünglich am ersten Tag nach Abschluss der Festoktav zur Geburt Johannes des Täufers am 24. Juni.

Die eigentlichen Marienfeste

Am 8. September - so schon die früheste Überlieferung - wurde Maria geboren. (Gefeiert seit dem 6. Jahrhundert n. Chr.)

Dem entspricht - neun Monate zuvor - die wunderbare Empfängnis Mariens (so der Name des Festes schon im 4. Jahrhundert) am 8. Dezember; heute feiern wir diesen Tag als das "Fest der unbefleckten Empfängnis Mariens".

Am 15. August feiern wir das "Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel". Zunächst wurde an diesem Tag der Tod Mariens gefeiert ("Heimgang Mariens" oder "Dormitio - Entschlafung") - und das bereits kurz nach 431 n. Chr. Seit 602 n. Chr. ist dieser Tag bereits staatlicher Feiertag.

Acht Tage nach "Mariae Himmelfahrt", am 22. August, feiert die Kirche das Fest "Maria Königin" (früher am 31. Mai). Nach alter Tradition ist Maria nicht nur die "Erst-Erlöste", sondern auch die Vornehmste aller Erlösten - ausgedrückt als "Königin". Früher wurde am 22. August das Fest des "Unbefleckten Herzens Mariens" gefeiert.

"Uneigentliche" Marienfeste

Einige Marienfeste sind aus historischem Anlass entstanden:

Am 11. Februar wird an die Erscheinung Mariens in Lourdes gedacht (seit 1907); am Freitag vor Palmsonntag wurde der "Sieben Schmerzen Mariens" gedacht, das als Fest seit 1814 auf den 15. September gelegt wurde; am 16. Juli ein Fest des Karmel-Kloster zur Ehren Mariens; am 5. August das Fest zur Einweihung der bedeutensten Marienkirche - der "Santa Maria Maggiore" in Rom; am 12. September feiern wir das Fest "Maria Namen" - entstanden aus der wunderbar empfundenen Aufhebung der Belagerung Wiens durch die Türken (seit 1683); am 7. Oktober das Fest "Unserer lieben Frau vom Rosenkranz" als Dank für den Sieg bei der Seeschlacht von Lepanto (seit 1573 mit noch älteren Wurzeln); am 21. Oktober das Fest "Unsere liebe Frau in Jerusalem", das an die Aufnahme der drei-jährigen Maria in den Tempel erinnern soll (Opferung Mariens); am Samstag nach dem 2. Sonntag nach Pfingsten wird an das "Unbefleckte Herz Mariens" gedacht (von 1944 bis 1969 am 22. August). In Bayern wird am 1. Mai an die "Patronin Bayerns" gedacht ("Patrona Bavariae").

Besonders der Mai (als Monat der aufblühenden Natur) und der Oktober (als Rosenkranzmonat) sind als ganzes marianisch geprägt.

Besondere Mariengebete

Das wichtigste Mariengebet ist das aus biblischen Motiven zusammengesetzte "Gegrüßet seist Du Maria" ("Ave Maria"). Zusammen mit dem "Vaterunser", dem "Ehre sei dem Vater" und dem "Glaubensbekenntnis" bildet es den Rosenkranz. Dazu kannst Du ausführlich lesen unter: Der Rosenkranz: Ein "marianisches" Gebet, das zu Christus führt.

Darüber hinaus gibt es die sogenannten "Marianischen Antiphonen". Das sind Mariengebete, die z.T. deutlich mehr als 1000 Jahre alt sind und im Stundengebet der Kirche ihren Platz haben. Dazu gehören:

"Ave Regina coelorum", "Salve Regina", "Alma redemptoris Mater", "Subtuum praesidium" (Auf deutsch: Unter Deinem Schutz und Schirm - siehe weiter oben in dieser Katechese) und das "Regina coeli". Auch der "Angelus" - ein Gebet, das zum Läuten der Kirchenglocken morgens, mittags und abends gebetet wurde, ist stark marianisch geprägt - erinnert aber vor allem an die Menschwerdung Jesu. Schließlich ist noch die "Lauretanische Litanei" zu nennen, die in Gebetsform die wichtigsten Namen Mariens, bzw. Titel oder Anrufungen aufzählt.

Auch andere Gebetsformen, wie z.B. der Kreuzweg, lassen sich mit Maria beten: Kreuzweg mit Maria

Besondere Marienbilder

In der Kunstgeschichte finden sich zahlreiche Marienbilder, die sich vornehmlich auf die biblischen Szenen beziehen (allem voran die Bilder der Geburt in Bethlehem und der Verkündigung durch den Engel Gabriel, danach die Kreuzigung mit Maria unter dem Kreuz), aber auch die thronende Maria, die uns ihren Sohn zeigt; eine Darstellung, die aus der Anbetung der drei Weisen aus dem Morgenland entstanden ist (also wieder eine biblische Szene). Maria wird sozusagen aus der Sicht der "Hl. Drei Könige" dargestellt.
Später wurde Maria losgelöst von jeder biblischen Szene als "Mutter mit Kind" dargestellt, dabei segnet entweder das Jesuskind auf ihrem Arm den Betrachter des Bildes (Segensbilder); oder Jesus schmiegt sich liebevoll an seine Mutter. Seltener findet sich auch das Bild von der stillenden Mutter ("Maria lactans").

Mit dem aufkommen der Marienerscheinungen, vor allem seit 1850, finden sich Mariendarstellungen, die den Erscheinungen Mariens nachempfunden sind (Lourdes, Fatima, Medjugorje) - oder sich auf ein geoffenbartes Bild beziehen (Guadeloupe oder die "Wundertätige Medaille" aus der "Rue du bac").

Dazu - und überhaupt zu dem Phänomen der Marienerscheinungen - findest Du mehr unter: Marienerscheinungen: Maria als Prophetin des Neuen Bundes.

Fazit

Maria ist keine Randfigur in unserem Glauben. Sie sichert in der Theologie vor allem die wahre Menschheit Jesu und verhindert, dass aus Jesus eine "unmenschlicher" Gotteserscheinung wird, die nicht wirklich uns gleich geworden ist.

Aber die Rolle Mariens in der Theologie wurde im Grunde durch die von Anfang an gelebte und gefeierte Seele der Christengemeinden vorgegeben. Maria steht dabei auf der Seite der Kirche, der Menschen und des Volkes - und nicht etwa in Konkurrenz zu Jesus oder Gott. Die Erfahrung zeigt, dass besonders marianische Menschen die Liebe zu Jesus bewahren; dass besonders in den Marienwallfahrtsorten dieser Welt Gott im Herzen der Menschen verankert bleibt.

Vor allem aber steht eine gelebte Marienfrömmigkeit mit der Liebe zur Kirche in einem unmittelbaren Zusammenhang. Wo Menschen Schwierigkeiten mit Maria haben und sich schwer tun, zu ihr eine lebendige Beziehung aufzubauen, stehen häufig Vorbehalte der Kirche gegenüber im Hintergrund.

Maria ist die Mutter der Kirche. Ihre bleibende Aufgabe ist es, die Menschen zur Kirche zu führen und die Kirche immer wieder in ihrer Ausrichtung auf Jesus zu bestärken - und auch gelegentlich zu ermahnen.

Und Maria ist meine Mutter. Sie betont in ihrer Mütterlichkeit immer wieder das, was jede Mutter ihren Kindern (und mögen sie noch so zahlreich sein) vermittelt: Du bist wichtig, Du bist willkommen, Du bist geliebt.